0132 - Der Todesnebel
merke es. Das Böse kommt…«
Da sagte sie mir nichts Neues. Ich war mit einem Satz bei ihr und fragte: »Können Sie laufen?«
Sie schüttelte den Kopf.
Ich bückte mich und hob sie hastig aus dem Sessel. Mit ihr auf den Armen verließ ich den Raum.
Schon beim Hochlaufen war es nicht einfach gewesen, die steile Treppe hinter sich zu lassen. Der Rückweg gestaltete sich wesentlich schwieriger.
Mit der Frau auf den Armen mußte ich vorsichtig und Schritt für Schritt die Stufen nehmen.
»Wir werden nicht fliehen können«, sagte sie mir. »Der Teufel ist stärker, auch meine Gebete haben nicht geholfen.«
Ich lachte, obwohl mir beileibe nicht danach zumute war. »Wir schlagen dem Teufel ein Schnippchen.«
»Sie sind sehr mutig, aber gegen die Hölle hat noch niemand gewonnen, glauben Sie mir.«
»Abwarten.«
Ich nahm die letzten drei Stufen. Die Haustür stand noch offen.
Ich schaute jetzt an der Schulter der Frau vorbei auf die Hauptstraße von Grynexxa.
Mir stockte der Atem.
Die Frau hatte recht gehabt.
Der Nebel war schon da!
***
Zwei Sekunden blieb ich stehen!
Diesen Schock mußte ich erst einmal überwinden. Zwar hatten bisher nur die Ausläufer der gewaltigen Nebelwolke das Haus erreicht, aber wenn ich den Schutz verließ, umwallten die grauen Wolken meine Füße und die Schienbeine.
Allein hätte ich den Schritt gewagt, aber ich hatte eine Frau bei mir, und ich war mir nicht sicher, ob das Kreuz mich und wenn, auch die Frau schützen würde.
Eine verfluchte Zwickmühle, in der ich steckte.
Und der Nebel wurde dichter.
Deutlich sah ich die feinen Schlieren, die wie Bänder über den Boden streiften, als würde irgendwo jemand stehen und sie weiterziehen. Dabei quirlte und rollte es innerhalb der Wolken. Als würde der Nebel leben und keine tote Materie sein.
»Jetzt können wir nicht mehr weiter, nicht wahr?« hörte ich die Stimme der alten Frau dicht an meinem Ohr.
»Schwerlich. Gibt es eine andere Möglichkeit?«
»Über die Dächer.«
Holla, die alte Dame hatte gar nicht so unrecht. Vielleicht konnte ich wirklich über das Dach fliehen. Aber mit ihr auf den Armen?
»Versuchen wir es, junger Mann«, spornte sie mich an. Während dieser Worte erinnerte sie mich stark an Mrs. Goldwyn, die Frau, die ich vor einem Werwolf gerettet hatte, und deren Hobby es war, Horror-Romane zu lesen.
Ich drehte mich um und stieg die Treppe wieder hoch. Langsam merkte ich auch das Gewicht der Frau, obwohl sie wirklich nicht sehr viel wog.
»Und nun?« fragte ich, als wir oben standen.
Mit ihrem dürren Finger deutete sie schräg in das Dämmerlicht unter dem Dach.
»Da ist eine Luke.«
Ich sah sie erst, als ich zwei Schritte davorstand.
»Mein seliger Mann hat sie nachträglich eingebaut, weil er immer auf das Dach kletterte, um die Sterne zu beobachten.«
Im Nachhinein beglückwünschte ich den Mann zu seinem Hobby.
Die Luke ließ sich leicht ziehen. Nur das Klettern mit der Frau würde schwierig werden.
»Stehen kann ich«, sagte sie.
Da war ich beruhigt.
Ich setzte sie ab, machte einen Klimmzug und stieg als erster durch die Luke. Von hier oben hatte ich einen besseren Blick und konnte auch auf die Treppe sehen. Der Nebel quoll bereits ins Haus und umwölkte die ersten Stufen, wobei er immer höher getrieben wurde.
Langsam wurde es gefährlich, und wir mußten sehen, daß wir wegkamen.
Der Speicher war ziemlich niedrig und vor allen Dingen schmutzig. Ich legte mich lang hin und streckte den Arm durch das offene Fenster so weit, daß die alte Frau meine Hand umfassen konnte.
Sie griff zu.
Mit einem Ruck zog ich sie in die Höhe. Es ging leichter, als ich gedacht hatte. Als sie auf dem Boden hockte, funkelte sie mich an.
»Sie sind ein richtiger Kavalier.«
Das Gefühl hatte ich nicht. Kopfschüttelnd lief ich über den Speicher auf ein schräges Fenster zu. »Wie ist ihr Mann eigentlich immer durch die Luke gekommen?« fragte ich.
»Er hat die Leiter aus dem Keller geholt.«
Damit war alles gesagt.
Das Dachfenster war kleiner als die Luke, trotzdem größer als die normalen. Es bereitete mir keinerlei Schwierigkeiten, hinauszuklettern.
Ich holte die Frau nach.
Dann lagen wir dicht nebeneinander auf dem schrägen Dach.
Himmel, war das ein Gefühl, aber ich konnte zum erstenmal richtig über das Dorf schauen.
Was ich sah, war nicht ermutigend.
Der Nebel war schon so weit fortgeschritten, das es schwer sein würde, die Kirche zu erreichen. Auf jeden Fall durften wir keine Sekunde
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