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0113 - Armaras Rückkehr

0113 - Armaras Rückkehr

Titel: 0113 - Armaras Rückkehr
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Haus.
    »Schnell!« keuchte Raghubir. »Hilf mir! Es ist Sidi! Er ist schwer verletzt!«
    Vorsichtig trugen sie den Jungen in die Herberge. Ein Teil davon war für Gäste bestimmt. Den kleineren Teil bewohnte Raghubir mit seiner Frau. Sie trugen Sidi in das Zimmer, das sie für ihn und seinen Vater hergerichtet hatten, denn wenn die beiden mit ihren Kamelen nach Arak auf den Markt kamen, wohnten sie immer hier.
    Behutsam betteten sie den Jungen. Selima holte eine Schüssel mit Wasser.
    Raghubir zog Sidi die zerfetzten Kleider aus, und die Frau wusch den mit Wunden übersäten Körper des Jungen.
    Sidi bekam das alles kaum mit.
    Er war in Trance.
    Sein Atem ging schnell. Er schüttelte den Kopf. »Nein!« schrie er.
    »Nein! Neiiin!«
    Raghubir berührte ihn vorsichtig. »Sidi, hab keine Angst. Du bist in Sicherheit.«
    »Der Tod ist auferstanden!« keuchte Sidi. Seine Hände krallten sich in Raghubirs Kleider.
    Selima kümmerte sich gewissenhaft um die Verletzungen des Jungen. Sie hatte alles im Haus, was sie dazu brauchte, und ihr Wissen war besser als das eines schlechten Arztes. Sie wußte, was zu tun war.
    Sidi schluchzte. »Ich will nicht sterben!«
    »Beruhige dich«, sagte Raghubir. »Du wirst nicht sterben. Es wird alles wieder gut.«
    »Was wohl passiert sein mag«, sagte Selima.
    »Er wird es uns erzählen. Später. Wenn er wieder ansprechbar ist.«
    »Er stieg aus seinem Wüstengrab«, stöhnte Sidi. Sein Gesicht war vor Entsetzen verzerrt. »Oh, Allah! Allah, steh mir bei!«
    »Von wem spricht er?« fragte Selima.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Raghubir.
    »Er ist so groß«, stieß Sidi in seinem Fieberwahn hervor. »So groß wie zwei Männer, und er strotzt vor Kraft, und er hat Hörner auf dem Kopf. Ein Teufel ist er. Er wird uns alle umbringen. Vater…«
    Raghubir beugte sich über den Jungen. Er ließ sich von Selima ein feuchtes Tuch geben und legte es dem Jungen auf die heiße Stirn.
    Dann ergriff er Sidis Schultern und schüttelte ihn vorsichtig.
    »Sidi! Sidi! Junge, komm zu dir…«
    »Kabu hat recht. Keiner kann ihm entkommen!« hechelte Sidi.
    »Von wem sprichst du?« wollte Raghubir wissen. »Was ist mit Mahmet?«
    »Tot! Alle tot!« schrie Sidi. Raghubir wußte nicht, ob das die Antwort auf seine Frage war.
    Er schaute seine Frau unsicher an. »Sidi muß etwas Schreckliches erlebt haben«, sagte er erschüttert. »Anscheinend wurde ihre Karawane überfallen, und vermutlich haben dabei alle ihr Leben verloren. Auch mein Bruder Mahmet.«
    Selima holte ein großes weißes Baumwolltuch. In dieses rollten sie den nackten Jungen ein.
    Sidi schlug verzweifelt um sich. »Mich kriegst du nicht, du verdammter Teufel!« schrie er. Seine Hände krampften sich zu Fäusten zusammen. »Ich lasse nicht los! Nie mehr! Nie mehr! Schleif mich zu Tode, du verdammtes Kamel, es ist mir egal! Ich lasse trotzdem nicht los!«
    »Er tut mir so leid«, sagte Selima.
    »Flöße ihm Tee ein. Er hat sicher Durst«, sagte Raghubir.
    »Vielleicht kommt er danach zu sich.«
    Selima brachte ein Gefäß mit Tee. Raghubir schob seine Hand unter den Kopf des stark fiebernden Jungen und hob ihn sachte hoch.
    Selima setzte Sidi das Gefäß aus Ton an die Lippen, und der Junge trank gierig, wobei ihm der Tee nicht nur in die Kehle rann, sondern zum Teil bei den Mundwinkeln herausfloß.
    Als Raghubir »genug« sagte, setzte Selima das Gefäß ab. Ihr Mann ließ den Kopf des Jungen auf die Kissen zurücksinken.
    Sidi schien sich zu beruhigen.
    Die Wahnbilder, die ihn so sehr in Angst und Schrecken versetzt hatten, schienen verblaßt zu sein.
    Er schluchzte nicht mehr, lag ganz still.
    »Sidi«, sagte Raghubir leise. Gespannt wartete er. »Sidi…«
    Die Lider des Jungen zuckten. Er öffnete die fieberglänzenden Augen. »Onkel Raghubir…«, kam es fast tonlos über seine Lippen.
    »Er erkennt mich wieder«, sagte Raghubir erfreut zu seiner Frau.
    »Was ist passiert, Sidi?«
    »Alle sind tot, Onkel Raghubir«, sagte Sidi traurig.
    »Wurdet ihr überfallen?«
    »Ja.«
    »Von wem?«
    »Ein schreckliches Ungeheuer war es.«
    »Ein Ungeheuer!« sagte Selima und schüttelte ihren Kopf. »Er spricht immer noch im Fieberwahn, Raghubir. Laß ihn in Ruhe. Die Wahrheit wirst du aus ihm heute ja doch nicht mehr herauskriegen.«
    »Es ist die Wahrheit!« stöhnte Sidi.
    »Es gibt keine Ungeheuer, mein Junge«, sagte Selima.
    »Ich habe es gesehen. Mit meinen eigenen Augen.«
    »Du fantasierst. Du hast hohes Fieber. Versuch zu schlafen. Wir
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