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011 - Das Mädchen in der Pestgrube

011 - Das Mädchen in der Pestgrube

Titel: 011 - Das Mädchen in der Pestgrube
Autoren: Dämonenkiller
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ich es wollte.« Er machte eine Kunstpause. »Ich habe keinen Schlüssel.« Er blinzelte mich an. »Und außerdem könnte es mich auch die Stellung kosten.«
    »Weshalb?«
    »Das Haus gehört immerhin den Schwestern Reichnitz.«
    Das war ja interessant; das hatte ich nicht gewußt.
    »Aber so verstehen Sie doch!« drängte ich weiter. »Ich bin extra aus London gekommen, um nach meinen Tanten zu sehen. Vielleicht ist ihnen etwas zugestoßen. Vielleicht kamen sie überraschend zurück, liegen tot in der Wohnung.«
    Der Alte straffte sich. »Bedaure«, wiederholte er. »Ich kann Ihnen leider nicht helfen. Wenden Sie sich an die Hausverwaltung!«
    Er holte einen Schlüssel hervor und sperrte die Tür auf. »Guten Tag.«
    »Gehen wir«, sagte ich zu Helnwein. Wir traten auf den Platz hinaus. Es war noch nicht einmal elf Uhr.
    »Was sagen Sie nun, Herr Helnwein? Die Schwestern Reichnitz existieren also tatsächlich. Ich werde dem Haus später einen Besuch abstatten. Der Alte sieht mir ganz so aus, als würde er sich nach dem Mittagessen hinlegen, und da habe ich Gelegenheit, in die Wohnung der Schwestern einzudringen.«

    Helnwein führte mich in ein Restaurant in der Rauhensteingasse. Es hieß Zum Weißen Rauchfangkehrer , war mehr als hundert Jahre alt und gemütlich eingerichtet. Wir hatten Mühe, einen Platz zu bekommen.
    Ich studierte aufmerksam die Speisekarte, auf der mehr als hundert Gerichte standen. Helnwein bemerkte meinen hilflosen Blick. Es gab hauptsächlich Wiener Spezialitäten. Ich wählte schließlich eine Leberknödelsuppe und Wiener Rostbraten und bestellte ein Bier dazu. Die Suppe schmeckte ausgezeichnet.
    »Weshalb heißt dieses Restaurant Zum Weißen Rauchfangkehrer ?« erkundigte ich mich.
    Helnwein schmunzelte. »Das kann ich Ihnen sagen. Vor mehr als hundert Jahren trafen sich die Rauchfangkehrer täglich hier. Einer der schwarzen Gesellen soll eines Abends einen über den Durst getrunken haben. Er torkelte in den Keller des Nachbarhauses, in dem eine Bäckerei untergebracht war, plumpste in einen Mehltrog und schlief dort seinen Rausch aus. Am nächsten Morgen kam er gerade noch zum Frühschoppen zurecht. Der Rauchfangkehrer, der eher wie ein Müller aussah, zechte lustig weiter und kümmerte sich nicht um das höhnische Gelächter seiner Kollegen … Ob diese Geschichte tatsächlich stimmt, weiß natürlich kein Mensch. Aber wenn nicht, ist sie zumindest gut erfunden.«
    Ich nickte. Der Kellner servierte den Rostbraten, der verlockend duftete und genausogut schmeckte wie er aussah. Ich bestellte noch ein Bier.
    »Wollen Sie eine Nachspeise?« fragte der Kellner, als er abservierte.
    Ich schüttelte den Kopf. »Einen Kaffee bitte«, verlangte ich.
    Der Kellner blickte mich erwartungsvoll an, und Helnwein kam mir zu Hilfe.
    »Sie wollen den Kaffee schwarz, ohne Milch, nicht wahr?« fragte mich Helnwein.
    Er wandte sich dem Kellner zu. »Einen großen Schwarzen und eine Melange.«
    Der Kellner nickte.
    Helnwein lachte. »Es gibt in Wien an die zwanzig verschiedene Möglichkeiten, Kaffee zu servieren. Und für jede gibt es eine spezielle Bezeichnung.«
    »Was ist eine Melange?« fragte ich.
    »Das ist eine große Tasse Kaffee mit mehr Milch als in einem großen Braunen.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Scheint eine eigene Wissenschaft zu sein, in Wien einen Kaffee zu bestellen.«
    Schließlich kam das Gespräch wieder auf meinen geplanten Besuch am Stephansplatz.
    »Soll ich nicht mitkommen, wenn Sie das Haus Nummer 80 aufsuchen?« fragte Helnwein.
    »Nein«, sagte ich entschieden. »Mir wäre es lieber, wenn ich allein gehen könnte.«
    »Aber ich könnte auf Sie warten. Ich …«
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Nein«, sagte ich bestimmt. »Fahren Sie nach Hause!«
    »Wie Sie wünschen«, sagte Helnwein verstimmt.
    Der Kaffee wurde serviert, und ich zahlte. Kurz vor dreizehn Uhr verließen wir das Lokal. Ich verabschiedete mich von Helnwein, sah ihm nach, drehte mich dann um und kehrte zum Stephansplatz zurück.
    Unten im Hauseingang blieb ich kurz stehen, ehe ich auf die Treppe zulief und ins erste Stockwerk huschte. Drei Türen gab es.
    Ich sah die Namensschilder an: Reichnitz stand auf keinem. Rasch stieg ich weiter nach oben ins zweite Stockwerk. Die erste Tür neben der Treppe war die richtige. Auf einem Messingschild fand ich endlich den gesuchten Namen. Im Haus war es ruhig. Ich beugte mich vor und untersuchte das Schloß. Es war primitiv; jedes Kind hätte es mit einem Nagel aufbekommen. Ich
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