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0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

Titel: 0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht
Autoren: Ich und die Tote ohne Gesicht
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durch die Dunkelheit schimmern.
    Es war ein Riesenkasten mit einem Park und einer Mauer rundherum. Ich wollte das-Tor in der Mauer öffnen, aber es war verschlossen. Mit der Taschenlampe suchte ich nach einer Klingel und fand sie auch. Ein paar Minuten später tauchte ein netter junger Mann auf.
    »Sind Sie Mr. Cotton?«
    Ich bejahte.
    »Die Herrschaften erwarten sie bereits, Mr. Cotton.«
    Ich tigerte mit ihm die Autoanfahrt hoch. Er deponierte mich in einem großartigen Raum, der halb Herrenzimmer; halb Salon war, schob eine Bar auf Rädern an meinen Sessel, bat mich, mir auszusuchen, was ich zu trinken wünschte, und verschwand mit einer Verbeugung.
    Mir war nicht entgangen, dass der Jüngling in Röhrenhosen und Bürstenhaarschnitt unter der linken Achsel eine winzige Ausbuchtung in seinem vorbildlich gearbeiteten Jackett hatte. Todsicher trug er ein Futteral mit einem Schießeisen.
    Ich mixte mir eine fünfstöckige Angelegenheit und schlürfte sie mit Genuss. Nach ungefähr zehn Minuten erschien ein etwa fünfzigjähriger Mann in langem violetten Schlafrock, an dessen Kordel z wei große goldene Eicheln baumelten. Sein Gesicht war mager, die Augen glichen zwei hineingepackten Kohlen. Auch die Haare waren noch schwarz und nur über den Ohren etwas ergraut.
    »Freut mich, Sie kennenzulemen, Mr. Cotton«, begrüßte mich der alte Gangster. Dass es sich um Donkey-Marr handelte, war mir sofort klar. »Sie möchten mit meiner Tochter sprechen, nicht wahr? Sie wird gleich erscheinen.« Er setzte sich und goss sich einen Fruchtsaft ein.
    »Kann ich Ihnen irgendwie behilflich sein?«, fragte er. »Nett von Ihnen, sich persönlich vom Wohlergehen meines Kindes zu überzeugen. Auch nett von Major Westhanger, alles zu tun, um Susan aufzufinden. Meine Sorge war indessen unbegründet. Susan ist mit dem Wagen herumgefahren, und hat Freunden ›Guten Tag‹ gesagt. Sie war nämlich in der Südsee.« Er lächelte. »Junge Mädchen sind oft sehr gedankenlos.«
    »Freut mich, Mr. Marr«, sagte ich, »dass Ihrer Tochter nichts passiert ist. Ich möchte sie gern kennenlernen und mich mit ihr über eine andere Sache unterhalten.«
    Der alte Gangster mit den Kohlenaugen sah mich ein bisschen erstaunt an, sagte aber nichts mehr und schlurfte davon. Irgendwo hörte ich ein Telefon klingeln.
    Ich steckte mir eine Zigarette an und wartete. Nach ein paar Minuten öffnete sich eine andere Tür, und eine Frau erschien. Und was für eine Frau.
    Zweifellos war es die gleiche vom Nachmittag, die vergeblich an der Tür der Ferret-Villa in Middleville geklingelt hatte. Ich nahm mir vor, sie auf die Probe zu stellen, indem ich meine Anwesenheit vor der Ferret-Villa erst einmal verschwieg. Vielleicht hatte sie meinen Jaguar überhaupt nicht gesehen.
    Was ich am Nachmittag nur per Distance bewundern durfte, konnte ich jetzt in allernächster Nähe nachholen. Sie war wirklich wunderschön. Jedes Mannequin von Dior wäre vor Neid ins Wasser gegangen.
    Ihr kurz geschnittenes Haar war so schwarz wie die Nacht, aber ihre Augen türkisblau. Sie trug ein enges dunkelrotes Seidenklein, das ihre pfirsichfarbene Haut hervorhob. Ihre vollen Lippen waren gerade so weit geöffnet, dass es schien, als ob sie lächelte. Vielleicht lächelte sie wirklich. Wer konnte das sagen? Ich jedenfalls nicht.
    Sie schwebte auf mich zu, machte kurz vor mir halt und sah mich an.
    »Guten Abend«, sagte sie, »Sie wollten mich sprechen?«
    Ich rappelte mich aus dem tiefen Sessel hoch. »Nur ein paar Fragen, Miss Marr.«
    »Behalten Sie doch Platz. Mr. Cotton. Und dann fragen Sie.«
    »Ich nehme an«, begann ich, »Sie wissen, wo sich Mrs. Harker im Augenblick auf hält.«
    Sie sah mich mit ihren Türkisaugen groß an.
    »Wie kommen sie darauf, dass ausgerechnet ich das wissen soll?«
    »Weil, wie ich erfahren habe, Sie von Mrs. Harker ein-Telegramm nach Hawan bekommen haben, Sie möchten unverzüglich zurückfliegen. Oder sollte die Information falsch sein?«
    »Sie ist nicht falsch.«
    Sie mixte sich einen Cocktail und schob eine Zigarette in eine lange Spitze. Ich gab als höflicher Mann Feuer. Dann fragte ich: »Wann kamen Sie in New York an?«
    »Um 12 Uhr 20 landete die Maschine in Idlewild. Ich fuhr mit einem Taxi nach unserer Stadtwohnung, erfrischte mich etwas und fuhr dann in einem unserer Wagen weiter nach Middleville.«
    »Und wann waren Sie dort?«, fragte ich.
    »So gegen 15 Uhr.«
    Diese Erklärung überraschte mich außerordentlich. Also war die nette Susan
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