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0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht

Titel: 0098 - Ich und die Tote ohne Gesicht
Autoren: Ich und die Tote ohne Gesicht
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wollen Sie hier? Wer sind Sie? Wenn Sie einen trinken wollen, haben Sie sich in der Hausnummer geirrt, junger Mann«, fauchte er mich an. »Sie befinden sich hier in der polizeilichen Leichenhalle.«
    »Nur nicht so viel reden, Mister«, sagte ich. »Sehen Sie sich mal schnell das an.«
    Ich hielt ihm meinen Ausweis unter seine Nase, die auf eine Vorliebe für alkoholische Getränke schließen ließ.
    »Das ist natürlich was anderes. Was kann ich für Sie tun?«
    »Heute Nacht wurde eine Ertrunkene eingeliefert, die noch identifiziert werden muss. Ich möchte mir die Tote ansehen.«
    »Okay. Kommen Sie mit.«
    Er watschelte vor mir her durch einen zementierten Gang, und dann ging’s in die Tiefe. Mehrere durch Filzdichtungen hermetisch verschließbare Eisentüren wurden passiert, von Tür zu Tür wurde es kälter.
    Die letzte Tür führte in ein mit Kacheln ausgeschlagenes Gewölbe. Hier herrschte eine wahre Nordpoltemperatur.
    An den Seiten waren ein Art Wandschränke eingelassen. Durch einen Hebeldruck ließen sie sich öffnen, und gleichzeitig rollte eine Mulde heraus.
    Der Dicke fummelte an dem Hebel so eines eingebauten Kühlschrankes herum. Das Ding öffnete sich nicht. Ich half ihm, auch ohne Erfolg.
    »Wieder mal verklemmt«, knurrte er unwillig. »Warten Sie hier, ich hole schnell den Werkzeugkasten.«
    »Okay«, sagte ich und steckte mir eine Zigarette an. Die lausige Kälte kroch mir in die Knochen. Ich marschierte auf und ab, um mich zu erwärmen.
    Fünf Minuten verstrichen, sieben, acht. Dann wurde es mir zu dumm. Ich machte mich auf den Weg nach oben, um nach dem Dicken zu schauen.
    Nichts war von ihm zu sehen und zu hören. Dann sah ich die Bescherung. Da hingen ja Mütze und Uniformrock an der Wand, während Jackett und Hut verschwunden waren.
    Eine böse Ahnung kroch in mir hoch. Ich wählte eine Nummer, die auf einem neben dem Telefon an der Wand angehefteten Blatt verzeichnet war. Die verschlafene Stimme eins Cops meldete sich: »City Police, Middleville, Zentrale.«
    »Cotton vom FBI. Verbinden Sie mich mit dem diensthabenden Leiter.«
    »Einen Augenblick.«
    »Hier Captain Camber.«
    »Hier spricht Jerry Cotton vom FBI. Kommen Sie doch mal mit einem sachkundigen Beamten in die Leichenhalle. Da stimmt etwas nicht. Erstens lässt sich eine Mulde nicht herausrollen, zweitens ist der Wärter verschwunden. Außerdem war die Tür unverschlossen, als ich hereinkam.«
    »Ich komme sofort, Mr. Cotton.«
    Der Captain und drei Beamte erschienen schneller als erwartet. Und zwar durch eine Direktverbindung zwischen Polizeigebäude und Leichenhalle.
    Mit wenigen Worten schilderte ich mein Erlebnis.
    Die Beamten suchten nochmals nach dem Dicken, aber niemand war zu finden. Der richtige Wärter war schmal, Mütze und Uniformrock gehörten zweifellos ihm. Auch er war verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt. Übrigens hieß er McLawers, war Kriegsinvalide und trug am linken Bein eine Prothese.
    Ich ging mit den Leuten wieder in den Keller. Einer davon verstand sich auf die Mechanik der Wandschränke. Probehalber ließ der Captain alle erstmal öffnen, in denen sich etwas befand. Es waren fünf. In dem dicken Buch oben waren die Nummern eingetragen.
    »So«, sagte er, »jetzt mal zu Nummer achtzehn.« Diese Zahl stand nämlich über dem Schrank, der sich nicht öffnen lassen wollte.
    Ein paar Griffe mit einem Spezialinstrument, die Tür schob sich automatisch zur Seite und auf einem vorschnellenden Gestänge mit Schienen rollte eine längliche Mulde aus der Tiefe.
    In ihr lag eine weibliche Gestalt. Es war ein schrecklicher Anblick. Das Gesicht war bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
    Ich stellte fest, dass die so fürchterlich zugerichtete Frau ein Kostüm aus grauem Tweed, eine rohseidene Bluse und flache Sportschuhe aus Wildleder trug. Und noch etwas stellte ich fest: Am rechten Mittelfinger glänzte neben dem schmalen Trauring ein von Brillanten umgebener grüner Smaragd.
    »Kennen Sie die Tote?«, fragte Captain Camber.
    Ich zuckte mit den Schultern.
    »Dann will ich es Ihnen sagen, Mr. Cotton. Es ist Jana Harker. Morgen wird festgestellt werden, ob sie ertrunken ist oder schon vorher tot war, ob es sich um ein Verbrechen oder Unglücksfall handelt.«
    »Und jetzt wollen wir den armen McLawers suchen«, sagte ich. »Ich möchte fast wetten, dass er von dem Dicken umgebracht und ebenfalls in solch einer Lade zu finden ist.«
    Ich behielt recht.
    In dem Wandbehälter mit der Nummer vierundzwanzig lag er.
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