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0093 - Vlado - der Schreckliche

0093 - Vlado - der Schreckliche

Titel: 0093 - Vlado - der Schreckliche
Autoren: Franc Helgath
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Als er tot war, gab man ihm den Beinamen der Leichenfürst, oder auch der Blutfürst. Wenn die Überlieferungen stimmen, nicht zu Unrecht, wie mir scheint. In diesem Zusammenhang ist auch interessant, dass es bereits seine Ahnen ziemlich fürchterlich getrieben haben mussten. Doch der Leichenfürst war bei weitem der Schlimmste von allen.«
    »Was hat er denn so Schreckliches angestellt, dass man ihm diesen makabren Titel verlieh?«
    Zamorra senkte seinen Blick und schaute Nicole an. Er blies Rauch aus seiner Nase.
    »Ich weiß nicht, ob ich dich wirklich mit Einzelheiten belästigen soll. Bis Mittag dauert es nicht mehr lange, und die Wirtin hat uns für heute etwas Besonderes versprochen.«
    »Du solltest auch wissen, dass ich inzwischen ziemlich abgebrüht in diesen Dingen bin. So leicht erschreckt mich nichts. Und wenn alles schon so lange her ist, verdirbt es mir auch nicht den Appetit.«
    Nicole hatte in zweifacher Hinsicht recht. Es gab kaum etwas, was ihr den bemerkenswerten Appetit vertreiben konnte, und abgeklärt war sie auch. An Zamorras Seite hatte sie schon zahllose Abenteuer durchgestanden. Denn ihr Chef war nicht nur Wissenschaftler, sondera auch Geisterjäger. Gefahren ging er nie aus dem Weg. Auch den vermeidbaren nicht, wenn es darum ging, Menschen aus der Macht eines Dämons zu befreien und ein Wesen aus dem Zwischenreich zu vernichten.
    »Wie du willst«, meinte Zamorra. »Dann will ich mich wenigstens bemühen, die Schilderang seiner Gräueltaten so zahm wie möglich ausfallen zu lassen. Seine Chronisten waren nicht so pingelig. Fürst Vlado lebte und wütete mitten im 15. Jahrhundert, der bei weitem blutigsten und blutrünstigsten Epoche des christlichen Abendlandes. Damals wurde nicht einfach nur getötet. Da wurde gevierteilt, zersägt und zerstückelt, geblendet und zerrissen.«
    »Iiii!«, machte Nicole schrill. »Vielleicht solltest du mir doch ein andermal davon erzählen.«
    »Du hast es schon hinter dir. Insgesamt sagt man Fürst Vlado rund 2000 Morde nach. Keine Massenvemichtungen. Er widmete sich jedem seiner Opfer mit äußerster Sorgfalt. Mit seinem Gefolge ritt er von seiner Burg herunter, schnappte sich die erstbesten Männer oder Frauen. Niemand, von Greisen oder Greisinnen einmal abgesehen, war vor ihm sicher. Die Opfer tauchten nie mehr auf. Doch es wird berichtet, dass die gellenden Schreie der Gefolterten bis hinunter nach Zelezná Ruda gehört wurden. Das müssten immerhin um die drei Kilometer sein.«
    »Und dieser Wonnekuchen starb an Altersschwäche?«, wollte Nicole wissen. Ihr war warm unter dem Anorak, und trotzdem fröstelte sie plötzlich, wenn sie über die Grenze schaute. In die Richtung der Burgruine, die ihren Blicken durch die Seewand entzogen war.
    »Darüber schweigen sich die Chronisten aus«, meinte Zamorra mit einem Schulterzucken. »Sie schrieben nur, dass er starb. Die Burg wurde ausgeplündert. Es existiert sogar noch eine Liste darüber, was mitgenommen wurde. Priester und ein aus Prag herbeigeholter Bischof haben die leere Burg geweiht, und da keine Nachkommen da waren, überließ man das Gemäuer dem Verfall. Niemand wollte dort seinen Wohnsitz haben.«
    »Und was hat Vlado mit seinen toten Opfern gemacht?«
    »Ebenfalls unbekannt. Jedenfalls fand man keinerlei Spuren von ihnen. Kehren wir jetzt um? Der Mittelsmann von SVOBODA müsste bald aufkreuzen.«
    »Ganoven aus Fleisch und Blut sind mir auch lieber«, brummte Nicole. Ein Schatten war über den sonnigen Tag gefallen. Sie brach -te die Gedanken an den Leichenfürsten nicht mehr aus ihrem hübschen Kopf.
    ***
    Es war kurz vor zwölf, als eine Mercedeslimousine mit westdeutschem Kennzeichen in den Parkplatz unterhalb des ›Sonnenhofs‹ einbog und neben dem schwarzen Citroën des Professors ausrollte. Den Mann, der ausstieg, kannte Zamorra noch von der ersten Kontaktaufnahme in Paris her. Dort hatten sie im Ritz zusammen gegessen. Fluchthilfe musste sehr hohe Renditen abwerfen. Der junge, schwarzhaarige Ungar war nach der neuesten Mode gekleidet. Im Revers des grauen, maßgeschneiderten Einreihers steckte eine weiße Nelke.
    Tibor Déry winkte fröhlich herauf, als er Professor Zamorra auf seinem Balkon stehen sah. Er zeigte dabei zwei Reihen prächtiger weißer Zähne. Der dünne Oberlippenbart stand ihm ausgezeichnet. Ein junger Abenteurer, der seinen Weg scheinbar schon gemacht hatte.
    Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, kam er elanvoll die Treppen zur Aussichtsterrasse hochgelaufen. Unterm
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