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0077 - Das Phantom der Insel

0077 - Das Phantom der Insel

Titel: 0077 - Das Phantom der Insel
Autoren: Dieter Saupe
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konstatierte er. »Eine Art von lokalpatriotischer Hysterie, die sich in Mordlust austobt. Ich kenne solche Fälle aus der Geschichte. Dieser Lo Sardo wird wie ein Tyrann herrschen, wenn man ihm nicht bald Einhalt gebietet.«
    »Du scheinst nach den Zeitungsberichten mehr von der Vorgeschichte zu wissen, als die Leute auf der Insel«, bemerkte Nicole Duval.
    Zamorra antwortete nicht gleich. Das Mädchen wußte auch, warum das so war. Sie kannte die Gründe für ein solches Schweigen. Sie wußte auch, wie sehr sich Zamorra sogleich einer tiefen Konzentration hingeben würde.
    Er erhob sich und ging hinüber zum Kamin, wo das von seinen Ahnen geerbte Amulett lag. Ein Medaillon von besonderer Zauberkraft, um die nur der Professor wußte. Und Nicole natürlich.
    Liebevoll strich er mit den Fingerspitzen der rechten Hand über den treuen Helfer in manch gefährlicher Lage.
    Aber noch kam keine Verbindung mit den Hintergründen zustande, die ihn zu Lo Sardo führen würden.
    Er wußte nicht, ob es Zufall oder Fügung war, daß er mit Nicole ausgerechnet auf Sardinien seinen Urlaub verbringen wollte.
    Jetzt zählte nur die Tatsache, daß aus diesem Urlaub ein neuer Gang ins Reich der Dämonen werden würde.
    »Du hast gebucht?« fragte er, zu Nicole gewandt.
    »Zehn Uhr zwanzig ab Paris-Orly«, war die Antwort. »Und zwar über Mailand, wie ich vermutet habe. Von dort aus kommt man am schnellsten auf die Insel.«
    »Dann nehmen wir den Frühzug nach Paris«, entschied Zamorra.
    »Ich möchte den Wagen nicht für längere Zeit in Bahnhofsnähe parken.«
    »Und das Badezeug nehme ich trotzdem mit«, sagte Nicole abschließend.
    Zamorra mußte ihren Ehrgeiz und ihre berufliche Treue bewundern. Schon längst hatte sich Nicole diesen Urlaub verdient, auf den sie sich gefreut hatte.
    Aber sie erwähnte ihre Enttäuschung nicht mit einem einzigen Wort.
    Sie wußte, daß Zamorras Beruf kein gewöhnlicher Job war. Er kam ihr vor wie eine Berufung. Wo Haß und Gewalt auftraten, hatte Zamorra seinen Mann zu stehen. Er war bereit.
    Und Nicole Duval war es auch. Für ihren Chef, und für den Mann Zamorra.
    ***
    Bei aller Einsatzbereitschaft konnte Zamorra nicht verhindern, daß der gefürchtete Lo Sardo bereits in der folgenden Nacht erneut zuschlug.
    Diesmal hielt er sich weiter südlich auf, am unteren Ende der Riviera del Corallo, und zwar unweit der Stadt Bosa.
    Lo Sardo kannte die günstigste Stelle, wo er sein neues Opfer überraschen würde.
    Außerhalb der Stadt gab es einen kleinen Pinienwald. Die Straße von Bosa führte ein Stück hindurch, um sich dann von der Küste weg die Hügel hinaufzuschlängeln.
    Hier, in einer Kurve, begann eine Steigung, die kein Radfahrer bezwingen konnte.
    Und Carlos Pelera kam mit dem Fahrrad! Jeden Tag kam er hier entlang, bis auf die Sonn- und Feiertage. Er war in der Stadt Bosa beschäftigt. Dort hatte er ein kleines Geschäft, mehr eine Bude, wo er mit Getränken und Andenken handelte.
    Ein Grund genug für Lo Sardo, den Mann zu hassen und zu verfolgen!
    Carlos Pelera war spanischer Abstammung, genau wie es Marun Cofales gewesen war. Vor mehr als zweihundert Jahren war seine Familie nach Sardinien gekommen, als sie in der Heimat, in der Gegend von Murcia, nur schwer ihr Auskommen gefunden hatte. Die Familie Pelera war längst naturalisiert. Sie fühlten sich als Sardinier.
    Aber für Lo Sardo waren sie noch immer Todfeinde. Gegner und Fremde, die sich auf die Insel geschlichen hatten, die den Sardiniern den Boden, das Geld, das Leben strittig machten.
    Und noch etwas kam hinzu: Carlos Pelera war schon ein alter Mann.
    Der uralte Geist der Urbevölkerung der Sardinier lebte in Lo Sardo.
    Das Alter ist nutzlos. Das Alter wird geopfert und muß der Jugend weichen.
    Lo Sardo glaubte felsenfest an die Notwendigkeit der uralten Riten und Opferbräuche.
    »Töte den fremden Mann, töte den alten Mann!« murmelte Lo Sardo vor sich hin, als er im Schutz der Bäume auf sein Opfer wartete.
    »Es ist dein Recht, den Greis zu töten, denn er nimmt dir das Brot deiner Jugend. Er geht nicht aufs Feld, er kann weder reiten noch ein Gewehr halten. Er ist kein Krieger. Und wer kein sardischer Krieger ist, wer nicht Bandit und Räuber sein will, taugt nichts auf dieser Insel. Komm, Pelera, ich warte auf dich. Deine Zeit ist gekommen!«
    Es dauerte nicht lange, bis Lo Sardo den Alten auf der hügeligen Straße herankeuchen hörte. Dann sah er durch die Zweige, wie Pelera vom Rad stieg.
    Aber er ließ ihn noch
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