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0070 - Die Brücke ins Jenseits

0070 - Die Brücke ins Jenseits

Titel: 0070 - Die Brücke ins Jenseits
Autoren: A.F. Morland
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Zurück ins Jahr 1683. Sie beschlossen, die kommenden Stunden in der Leichenkammer zu verbringen. Es war ihr Fehler, anzunehmen, daß sich hier unten während des ganzen Tages niemand blicken lassen würde. Bald schon wurden sie eines besseren belehrt.
    Schritte.
    Mehmet, zuckte hoch. Er schaute Ahmet nervös an. »Da kommt jemand!« stieß er aufgeregt hervor.
    »Das höre ich«, gab Ahmet gelassen zurück.
    »Wenn man uns hier entdeckt… Omar Namsi hat uns ausdrücklich gesagt, daß wir uns nicht erwischen lassen dürfen. Die Wiener könnten Verdacht schöpfen.«
    Ahmet schüttelte den Kopf. »Das halte ich für ausgeschlossen.« Er schaute sich schnell um. »Nichts ist zu sehen. Wie sollen sie herausbekommen, daß wir ihnen den Tod gebracht haben?«
    Mehmet riß mit einer ungestümen Bewegung den Krummsäbel aus der Scheide.
    Ahmet hob die Hand. »Keinen Toten, wenn es sich vermeiden läßt.«
    »Wozu sie schonen? Es sind unsere Feinde.«
    »Keinen Toten!« wiederholte Ahmet streng.
    Die Schritte kamen der Tür immer näher. Ahmet machte seinem Freund ein knappes Zeichen. Sie bauten sich zu beiden Seiten des Eingangs auf, preßten sich an die Wand, hielten den Atem an und warteten mit angespannten Muskeln. Ein Schlüssel wurde ins Schloß geschoben. Dem Mann, der aufschließen wollte, fiel auf, daß das Schloß kaputt war.
    »Na so was«, murmelte er. Er hatte ein rosiges Gesicht, breite Schultern und schaufelblattgroße Hände. Sandfarbenes Haar fiel ihm auf den Kragen. Vor dem voluminösen Bauch trug er eine grüne Gummischürze. Er war der Leichenwäscher und hieß Georg Neidhard. Ohne Argwohn zu schöpfen, zog er den Schlüssel wieder ab. Dabei nahm er sich vor, zu melden, daß das Schloß hier schadhaft sei. Dann drückte er die Tür beiseite und trat in die kühle Totenkammer.
    Da kamen sie von zwei Seiten gleichzeitig auf ihn zugeflogen.
    Neidhard riß verstört die Augen auf. Ein krächzender Schrei entrang sich seiner Kehle. Ein Überfall in der Leichenkammer. Noch nie hatte es so etwas gegeben. Was Neidhard sah, raubte ihm fast den Verstand: Männer in Pluderhosen, mit einem Turban auf dem Kopf, mit Säbeln. Konnte es sein, daß er in diesem Augenblick verrückt geworden war? Mehmet war um einen Sekundenbruchteil schneller beim Leichenwäscher. Sein blitzender Krummsäbel schwirrte durch die Luft. Die Breitseite der Klinge traf Neidhards Schläfe. Der schwere Mann sackte wie vom Blitz getroffen zu Boden.
    »Und jetzt weg von hier!« zischte Ahmet hastig. Unverzüglich verließen die beiden die Leichenkammer.
    ***
    Er war bekannt für seinen eisenharten Schädel. Schon in der Schule hatte er sich für Geld mit der Faust darauf dreschen lassen, um zu beweisen, wie hart er im Nehmen war. Deshalb währte Neidhards Ohnmacht nur wenige Augenblicke. Mit einem dumpfen Grunzlaut wälzte er sich herum. Zaghaft tastete er nach seiner schmerzenden Schläfe, in der ein wilder Schmerz pochte. Er blutete. Benommen kam er auf die Beine. Wankend stand er in der Mitte des Raumes, und er konnte nicht fassen, was ihm widerfahren war. Verrückt. Er mußte nicht mehr richtig im Kopf sein. Anders konnte er sich diese verwirrende Halluzination nicht erklären. Männer mit Turbanen auf dem Kopf. In Pluderhosen. Das ergab keinen Sinn. Ein Überfall hier unten. Auch das war so unsinnig, daß sich Neidhards sandfarbene Haare sträubten. Ein Spuk? Er glaubte nicht an diese Dinge, doch in diesem Augenblick war er fast geneigt, diese Möglichkeit als einzig richtige anzuerkennen. Aber vermag ein Spuk mit einem Säbel so knallhart zuzuschlagen? Neidhard wischte sich mit einer fahrigen Handbewegung über die Augen.
    Er mußte etwas unternehmen.
    Er mußte diesen Überfall melden!
    Daß er sich den Überfall nicht bloß eingebildet hatte, bewies das Blut an seiner Schläfe. Mit stampfenden Schritten verließ der schwere Mann die Totenkammer. Atemlos jagte er die Treppe hoch. Ein Mann kam den Korridor entlanggeschlendert. Es war der Krankenhelfer Günter Brand.
    »Brand!« stieß Neidhard erregt hervor. »Brand!« Der Krankenhelfer blieb grinsend stehen. Er konnte die blutige Gesichtshälfte des Leichenwäschers nicht sehen.
    »Na, Georg. Hat sich einer der Toten darüber aufgeregt, wie du mit ihnen beim Waschen umgehst?«
    »Ich… ich bin überfallen worden!« rief Neidhard heiser aus.
    »Von einer Leiche?« grinste Brand.
    »Von zwei Türken. Sie trugen Pluderhosen und Turbane, und sie waren mit Krummsäbeln bewaffnet.«
    Der
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