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0064 - Die Mühle der Toten

0064 - Die Mühle der Toten

Titel: 0064 - Die Mühle der Toten
Autoren: Walter Appel
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da wie gelähmt. Er begriff, daß er den Geist nicht mehr loswerden konnte, den er gerufen hatte. Der Dämon wollte seine Seele auf jeden Fall. Er hatte vorhin nur mit ihm gespielt.
    »Nein«, ächzte der Bucklige. »Ich will nicht mehr.«
    Der Dämon hob die Hand. Sie war lang und feingliedrig, die Hand eines Künstlers oder Pianisten. Aber die Finger hatten kleine Klauen statt Fingernägeln.
    »Was du willst, spielt jetzt keine besondere Rolle mehr«, sagte der Dämon. »Wir erfüllen unseren Teil des Geschäfts, und sobald das getan ist…«
    »Nein!«
    Der Dämon lachte. Kalt und metallisch klang dieses Lachen, höhnisch und herzlos.
    »Ich will dir zeigen, wie deine Rache aussehen wird, Garascon.«
    Der bucklige Müller hatte eine Vision. Er sah Ereignisse, die sich in der Zukunft abspielen würden. Er schüttelte den Kopf, daß die kalten Schweißtropfen von seiner Stirn flogen. Sein Gesicht war eine Grimasse des Entsetzens.
    »Nein, an so etwas habe ich nie gedacht. Ich schwöre es bei…«
    Der Name wollte nicht mehr über seine Lippen.
    »Der hilft dir nicht mehr«, sagte der Dämon. »Der alte Herr mag in den höheren Regionen der Größte sein. Hier auf der Erde waren wir schon immer besser im Geschäft. Du gehörst jetzt uns, Garascon, und alles wird genauso kommen, wie ich es dir gezeigt habe.«
    »Das darf nicht sein. Das ist… teuflisch.«
    »Natürlich. Was glaubst du denn, mit wem du dich eingelassen hast? Komm, Buckliger, mach ein Ende. In zweihundert Jahren geht es dann weiter.«
    »Ich will nicht! Ich will nicht!«
    »Immer diese Umstände«, sagte der Dämon.
    Ein gewaltiger Stoß traf die Kiste, daß sie wegflog. Der bucklige Müller zappelte am Strick. Es knackte, und im nächsten Moment begannen die Windmühlenflügel, sich wie rasend zu drehen. Das unheimliche Schwefelfeuer hüllte sie ein, daß es aussah, als stünden sie in Brand.
    Die Dorfbewohner von Bresteville, die bei dem Blitzeinschlag in die alte Weide aus ihren Häusern gelaufen waren, staunten. Einige von ihnen bekreuzigten sich.
    Armand Garascon spürte nur noch die ersten drei Umdrehungen der Mühlenflügel. Dann war er tot.
    Das Gewitter brach mit Urgewalt los.
    ***
    »Bürgermeister Brissac! Bürgermeister Brissac!«
    »Was ist denn los, Faber? Du siehst aus, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
    Der lange, dürre Totengräber und Friedhofswärter stand am ganzen Körper zitternd im Bistro am Rathausplatz. Es war kurz nach sieben Uhr abends. Im Spätherbst dämmerte es bereits stark. Im Bistro war die Luft von Tabakqualm vernebelt.
    Die Honoratioren und Geschäftsleute von Bresteville pflegten um diese Zeit ihren Dämmerschoppen zu trinken. Bürgermeister Brissac ließ sich nur ungern in der Kartenpartie mit dem Oberlehrer, dem Pfarrer und dem Apotheker stören. Er hatte ein ausgezeichnetes Blatt auf der Hand.
    Alle schauten nun zu dem aufgeregten Totengräber hin. Die Gespräche im Bistro waren verstummt.
    Faber rang nach Fassung.
    »Also, es spukt auf dem Friedhof!«
    Die Spannung löste sich in einem Auflachen. Faber hörte Gesprächsfetzen, Gemurmel, skeptische Bemerkungen.
    »Jetzt spinnt der alte Faber vollkommen.«
    »So ein Quatsch. Er wird eine alte Frau gesehen haben, die sich hinter einem Grabstein niedergehockt hat.«
    »Der hat wohl einen in der Krone.«
    »Ruhe«, sagte der Bürgermeister und klopfte mit der fleischigen Hand auf den Tisch. »Ruhe! – Was hast du denn gesehen oder gehört, Faber? Wo soll es spuken?«
    »Beim Grab des verfluchten Müllers. Ganz hinten, in der letzten Ecke vom Friedhof. Eine Hand ragt aus der Grabeserde hervor. Bleich, die Hand eines Toten.«
    Die Äußerung erzeugte neue Heiterkeit.
    »Vielleicht haben wir einen Dorfdracula bekommen«, sagte einer der jüngeren Männer. »Hat diese Hand irgendwelche Bewegungen gemacht? So vielleicht?«
    Er machte eine unanständige Geste. Die Kellnerin verzog das Gesicht und sagte etwas, das wie ›Ordinärer Kerl‹ klang.
    Die Tischrunde grölte los. Die Männer hieben sich auf die Schenkel.
    »Wenn die Hand wirklich so gemacht hat, dann soll Marie auf den Friedhof gehen«, sagte der Mann, der schon den ersten Witz gerissen hatte.
    Er klopfte der Kellnerin auf das dralle Hinterteil. Der Totengräber lief im Gesicht rot an vor Zorn.
    »Ihr Hornochsen!« sagte er wütend. »Geht doch hin und seht es euch an, wenn ihr mir nicht glaubt. Ich sage euch, aus dem Grab des verfluchten Müllers ragt eine Hand. Mir ist es eiskalt über den Rücken
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