Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0060 - Ich saß im Todesblock

0060 - Ich saß im Todesblock

Titel: 0060 - Ich saß im Todesblock
Autoren: Ich saß im Todesblock
Vom Netzwerk:
ausgestreckten Zeigefinger. Phil richtete sich auf seinem Bett auf. Ein breitschultriger Kerl schob sich in den Vordergrund: »Wer bist du?«
    Phil sprang vom Bett herunter. Neben dem Breitschultrigen wirkte er fast schmächtig. Trotzdem hielt er unbefangen dem Hünen die Hand hin.
    »Ich heiße Phil O’ Brien. Und du?«
    »Ich bin Coli Buster. Das ist mein Freund Less Ledder.«
    Er deutete auf einen Kerl mit einer großen Warze mitten auf der Nase, der etwas blöde grinste.
    Phil machte sich selbst mit den anderen bekannt. Es waren Toni Marecci und Jean Moire. Man fragte ihn nach seiner Verurteilung. Phil raspelte gelassen sein Strafmaß herunter, das er sich obendrein selbst ausgesucht hatte mitsamt der Urteilsbegründung.
    Er stellte zu seiner Zufriedenheit fest, dass man ihm eine gewisse Hochachtung entgegenbrachte. Offenbar war ein schwerer Raubüberfall mit dreifacher schwerer Körperverletzung in der Rangordnung dieser Schwerverbrecher so etwas wie eine Auszeichnung.
    Nur Buster trat auf Phil zu und wollte von Anfang an etwas klarstellen. Er stemmte die Fäuste in die Seiten und brummte: »Hör mal, Kleiner!«
    »Ja, Großer?«, fragte Phil, ohne von Moires Pritsche aufzustehen, auf die er sich gesetzt hatte, weil er gerade in eine Unterhaltung mit dem Franzosen vertieft war. »Ja, Großer? Willst du etwas?«
    Buster stutzte. Bisher hatte niemand gewagt, ihn so vertraulich anzusprechen. Das brachte ihn ein wenig aus dem Konzept.
    »Eh«, stotterte er. »Ja, eh. Es ist nämlich; also ich wollte dir nur gleich sagen, dass ich hier den Ton angebe. Damit du von Anfang an Bescheid weißt. Hier wird gespurt, wenn ich etwas wünsche. Das gilt auch für dich, klar?«
    Phil saß noch immer. Er sah lächelnd zu Buster hinauf und sagte freundlich: »Das werde ich mir mal überlegen, Großer. An sich bin ich ein Kerl, der gegen’s Gehorchen ist, weißt du? Ich tue immer gern, was mir Spaß macht, ohne vorher andere nach ihrer geschätzten Meinung zu fragen.«
    Buster war zuerst so verdattert über den offenen Widerstand, auf den er hier stieß, dass er ihn zunächst gar nicht für bare Münze nahm. Erst nach einer ganzen Weile dämmerte ihm, dass dieser Widerstand vielleicht doch ernst gemeint sein könnte. Deshalb packte er Phil an seiner Zuchthausjacke und riss ihn hoch.
    »Ich kann dir die erste Abreibung gleich verpassen, wenn du nicht spuren solltest, Kleiner.«
    Phil sah furchtlos zu ihm hinauf.
    »Und ich kann dir dein großes Maul von Anfang an abgewöhnen, Großer, wenn du nicht selbst einsehen willst, dass du mir nichts zu sagen hast.«
    Das war nun endgültig zu viel für Buster. Er hielt Phil mit der rechten Hand im richtigen Abstand fest und holte mit der Linken aus. Gleich musste Phil von einem mörderischen Schlag getroffen werden und zusammensinken - dachte jeder.
    Es kam genau umgekehrt. Phil handelte so blitzschnell, dass es die anderen gar nicht genau erkennen konnten. Jedenfalls war das Ergebnis seiner Blitzaktion, dass Buster die Augen verdrehte und in sich zusammenfiel wie ein Mehlsack. Als sich sein Freund Ledder auf Phil stürzen wollte, tippte der ihm nur grinsend mit dem Zeigefinger gegen die Stirn: »Bemüh’ dich nicht, Großer Nummer Zwei! Für euch beide ist hier auf dem Fußboden kein Platz.«
    Die anderen starrten Phil an, als hätten sie nun endgültig den ersten Marsmenschen in leibhaftiger Person vor sich. Phil schwang sich gelassen auf sein Bett und murmelte von oben herunter: »Sollten über das Tonangeben in dieser Zelle noch irgendwelche Unklarheiten bestehen, so können wir uns nach dem Abendessen gern ausführlich darüber unterhalten. Ich bin zur Not bereit, jedem einzelnen Privatstunden zu erteilen. Und jetzt möchte ich für ein paar Minuten meine Ruhe haben, denn ich muss über etwas nachdenken.«
    ***
    Phil hatte sich unwissentlich zum Tischgespräch während des Abendessens gemacht, das wie üblich im großen Speisesaal stattfand. Er hatte nicht gewusst, dass Buster allgemein als so etwas Ähnliches wie der King von Block C 4 galt. Da er ihn so kurz und trocken erledigt hatte, war nach dem Abendessen über zweihundert Häftlingen im Block C 4 klar, dass man den Neuen vorsichtig behandeln und ihm auf jeden Fall die nötige Achtung entgegenbringen musste, wenn man nicht eine viel schlimmere Tour auf sich herabbeschwören wollte, als sie Buster bekommen hatte.
    Phil fühlte die veränderte Stimmung, als er in seine Zelle zurückging. Jeder Zuchthäusler, der ihm begegnete,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher