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006 - In der weißen Hölle

006 - In der weißen Hölle

Titel: 006 - In der weißen Hölle
Autoren: Michael J. Parrish
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Kriegsmaschinen nichts auszurichten. Die Lawine war wie ein weißes Leichentuch, das alles verschluckte, es in die Tiefe riss und nie wieder freigab.
    Grollend und donnernd gingen die Schneemassen nieder. Eisiger Nebel stieg auf und verdunkelte den Himmel, hüllte Alcams Heer in einen tödliche, verzehrende Wolke. Die Kriegstrommeln waren längst verstummt, das Tosen der Naturgewalten übertönte selbst die gellenden Todesschreie der Männer, deren Blutdurst von einem Augenblick zum anderen in nackte Angst umgeschlagen war.
    »Neeein! Neeeeein!«
    Alcam brüllte wie von Sinnen, als er sah, dass rings um ihn seine gewaltige Streitmacht von den Schneemassen verschlungen und fortgerissen wurde. Er sah, wie seine ach so mächtigen Kriegsmaschinen wie Spielzeug zerschmettert wurden, sah Efranten und Reiter im weißen Nebel verschwinden und nicht wieder auftauchen, sah tapfere Krieger, die von Eis und Schnee begraben und zermalmt wurden. Der General schrie entsetzt, während er von seinem hohen Sitz auf dem Rücken des Efranten hinabstarrte und zu begreifen versuchte, was vor seinen Augen geschah. Der Reiter des Tieres setzte alles daran, den Efranten unter Kontrolle zu halten, doch das Tier bäumte sich auf und gab panische Laute von sich.
    »Tod!« brüllte Alcam außer sich vor Zorn zum Dorf der Narka hinauf. »Tod den Narka, hört ihr?«
    Er bekam keine Antwort.
    Stattdessen baute sich plötzlich eine gewaltige Woge aus Schnee vor Alcam und seinem Efranten auf. Die Augen des Generals weiteten sich entsetzt, als er an dem immer höher aufwachsenden Gebilde emporblickte, das jeden Augenblick auf ihn niederstürzen würde.
    »Bei Orguudoo…!« entfuhr es ihm - dann erreichte ihn die eisige Welle und riss ihn mit sich fort.
    Die Wucht des Aufschlags schleuderte Alcam von seinem Sitz. In hohem Bogen flog er durch die Luft, prallte auf, versuchte entsetzt, sich irgendwo festzuhalten, griff aber nur Eis und Luft, während er mit atemberaubender Geschwindigkeit den Hang hinabgetragen wurde. Er überschlug sich mehrmals, er haschte einen letzten Blick auf das Dorf der Narka, das zum Greifen nahe gewesen war - und nun unerreichbar.
    Er lebte noch lange genug, um mitzubekommen, dass die Lawine ihn und .
    seine Streitmacht an den Fuß des Hanges schwemmte und darüber hinaus, sie unbarmherzig in die abgrundtiefe Schlucht schleuderte, die dahinter klaffte.
    ***
    In den ersten Sekunden, nachdem das schreckliche Gebrüll der Naturgewalten verstummt war, herrschte Stille. Beklommen und betroffen starrten alle auf den fernen Rand der Schlucht, hinter dem Alcam und sein gesamtes Heer verschwunden waren. Dann erklang ein greller, durchdringender Triumphschrei, der aus Aruulas Kehle kam - und im nächsten Moment fielen die Narka in den Jubel mit ein.
    Männer, Frauen und Alte sprangen auf und rissen die Arme hoch, schrieen vor Glück und Freude darüber, noch am Leben zu sein. Die meisten von ihnen waren so verängstigt und voll Anspannung gewesen, dass sie erst jetzt begriffen, dass sie die Schlacht gewonnen hatten, dass Alcam und seine Krieger ihnen nicht mehr nach dem Leben trachten würden.
    Der alte Yorl stieß ein helles jungenhaftes Lachen aus. In einer spontanen Geste umarmte er Matt, dann seine Tochter. Von allen Seiten kamen die Narka heran, klopften Matthew auf die Schultern, umarmten ihn und dankten ihm, manche unter Tränen. Matt selbst konnte sein Glück kaum fassen. Er hatte nicht mit Sicherheit zu sagen gewusst, ob sein Plan funktionieren würde - viele Unwägbarkeiten hatten darin gelegen und es war keine Zeit geblieben, exakte Berechnungen durchzuführen. Was Alcam und seinen Leuten zum Verhängnis geworden war, war angewandte Physik. Das heiße Wasser, das aus der Grotte gekommen und tief unter der Schneedecke ausgeflossen war, hatte den Schnee auf dem gefrorenen Untergrund geschmolzen. Durch die Kälte war das Wasser darauf sofort wieder gefroren und hatte eine dünne Eisschicht zwischen Boden und Schneeschicht gebildet, auf dem sich die Schneedecke des Hanges unter dem Ansturm der Krieger nicht mehr hatte halten können und schließlich in eine vernichtende Lawine verwandelte. So war Alcams Traum von einem Großreich, das seinen Namen trug, in einem tosenden Sturm aus Schnee und Eis untergegangen, den weder der Kriegsherr noch seine Schergen überlebt hatten. Sam kam heran und bedankte sich bei Matt mit einem innigen Kuss, den Aruula mit Missbilligung verfolgte.
    »Du hast uns gerettet«, stellte Yorls Tochter fest.
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