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0033 - Der Pfähler

0033 - Der Pfähler

Titel: 0033 - Der Pfähler
Autoren: Jason Dark
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neuen Hochhäuser, die so gar nicht zum Image der Stadt Wien paßten und entdeckte den majestätischen Turm des Stephansdoms, der sich ebenso wie der neue Fernsehturm als Silhouette vor der runden Scheibe des Mondes abhob.
    Er wandte den Blick von der Kirche ab, denn das Kreuz war für ihn immer noch Symbol der Vernichtung. Daran hatten auch die Jahrhunderte nichts geändert.
    Der Vampir nahm Kurs nach Nordwesten und flog auf den Kahlenberg zu. Diese letzte Erhebung der Alpenausläufer stach wie der Buckel eines riesigen Ungeheuers aus der Landschaft.
    Serpentinenartig führte eine Straße zum Kahlenberg hoch. Er war der Ausgangspunkt für viele Spaziergänger, die in den Wienerwald wollten. Nachts jedoch ließ sich hier kein Mensch blicken. Einsam und verlassen lag die Höhe vor ihm.
    Durch das bunte Laub der Bäume rauschte der Nachtwind, zupfte die Blätter von den Zweigen und ließ sie zu Boden trudeln, wo sie auf der Straße einen dicken Teppich bildeten.
    Weich setzte der Vampir zur Landung an. Er kam in der Nähe eines verriegelten Andenkenstandes auf und hatte von hier aus nur noch wenige Minuten zu gehen, um die Familie Ceprac zu treffen.
    Das Geschöpf der Nacht verschwand zwischen den Bäumen. Es hinterließ eine leere Straße, als hätte es ihn nie gegeben.
    Der Vampir hatte wieder menschliche Gestalt angenommen. Er raffte seinen langen Umhang um beide Schultern. Silbern sickerte das Mondlicht durch den Wald und ließ das hagere Gesicht des Blutsaugers hin und wieder aufleuchten.
    Das Laub raschelte verräterisch unter den Füßen des Untoten, als er durch den Wald ging. Er bemühte sich gar nicht, leise zu sein. Wer ihn erwartete, sollte merken, wenn er kam.
    Daß sich ein Mensch hierher verirrte, nahm der Untote nicht an. Und wenn, dann würde dieser Mensch sehr rasch in den Kreis der Vampire aufgenommen werden.
    Der Weg führte bergauf. Mit dem sicheren Instinkt eines Raubtieres fand der König der Blutsauger das Versteck.
    Das Versteck war in den Berg hineingebaut worden. Ein alter Bunker mit einem gemauerten Eingang, kaum mehr als eine Höhle. Davor wuchsen Sträucher. Sie standen so dicht beieinander, daß sie die Sicht in die Höhle verwehrten.
    Plötzlich entstand Bewegung zwischen den Sträuchern. Aus dem Innern der Höhle tauchte ein fahles, blutarmes Gesicht auf.
    Kaluracs Ankunft war bemerkt worden.
    Dann wurden die Zweige des Gebüschs geteilt und der Anführer der Ceprac-Sippe tauchte auf.
    Es war ein uralter Mann, ein Greis, mit grauen, strähnigen Haaren, einem faltigen Gesicht und blutleeren, lappig wirkenden Lippen. In den Augenhöhlen glühte es düster. Als der alte Carl Ceprac sich aus dem Gebüsch schälte und seinen Meister sah, fiel er vor ihm auf die Knie und küßte dessen Füße.
    Aufrecht blieb Kalurac stehen und nahm die Huldigung mit unbewegtem Gesicht entgegen.
    Er war es gewohnt, so empfangen zu werden.
    Langsam erhob sich der Alte. Er reichte dem König der Vampire kaum bis zur Schulter.
    »Ich sehe, es geht dir schlecht«, sagte Kalurac, »du hast die Zeiten nicht gut überstanden.«
    »Ja, Meister, es war schlimm!«
    Kalurac lachte. »Aber das wird sich ändern, glaube mir. Wo sind die anderen?«
    Carl Ceprac deutete über die knochige Schulter. »In der Höhle, Meister.«
    »Hol sie her! Wir haben nicht viel Zeit!«
    Ceprac verschwand.
    Zuerst tauchten seine beiden Söhne auf. Es waren Ausgeburten der Hölle. Beide kahlköpfig, mit runden, breiten Gesichtern, dicken Lippen und langen, säbelartigen Zähnen. Sie gingen etwas gebeugt, und manchmal tropfte ihnen gelblicher Speichel von den Lippen.
    Sie waren Zwillinge und hießen Gorum und Valdo. Mißtrauisch schauten sie Kalurac an. Keiner wollte sich die Blöße geben, ihn als erster zu begrüßen.
    »Runter mit euch!« zischte der König.
    Jetzt fielen auch sie auf die Knie und küßten seine Füße. Eine Frau hatte Ceprac nicht mehr. Sie war vor langer Zeit von einem Kapuzinermönch gepfählt worden und hatte somit ihr untotes Dasein ausgehaucht.
    Aber es gab noch ein Mitglied der Familie. Rebecca, die Tochter!
    Wie eine Königin verließ sie die Höhle. Waren ihre beiden Brüder Ausgeburten an Häßlichkeit, so stellte Rebecca genau das Gegenteil dar. Sie konnte man getrost als Schönheit bezeichnen. Selbst Kalurac war überrascht, als er das Mädchen, das schon Hunderte von Jahren zählte, ansah.
    Rebecca hatte flammend rotes Haar, das wie eine glühende Sonne ihren Kopf umwehte. Ihr Gesicht war von einer engelhaften
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