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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe
Autoren: Susanne Wiemer
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lief sie weiter, quer durch die Höhle – und mit dem nächsten Atemzug flog ihr eine knöcherne Faust in den Nacken.
    Brutal wurde sie zurückgerissen.
    Drei, vier Skelette stürzten sich gleichzeitig auf sie, und diesmal hatte sie keine Chance mehr, dem harten Griff der Knochenhände zu entkommen.
    Ihr Kopf dröhnte.
    Und die Stimme des Goldenen Pumas schien sich mit diesem Dröhnen zu mischen.
    »Die Zeit ist erfüllt!« rief er. »Heute noch wird Tukákame zurückkehren auf diese Welt. Drei Opfer verlangt er, und drei Opfer werden ihr Blut vergießen und ihre Herzen geben für Tukákame, den Herrn der Finsternis. Tukákames Stunde ist nah! Bringt die Opfer in den Tempel unseres Gebieters!«
    Nicole wurde weitergezerrt.
    Vor ihr schleppten andere Gerippe die beiden Indio-Mädchen durch einen der langen Gänge. Ein dumpfer Trommelwirbel hing in der Luft. Flüchtig sah Nicole sich um, erkannte undeutlich die Goldornamente, mit denen die Wände des Tunnels verziert waren. Eine steile Treppe führte nach unten, und genau wie Bill Fleming zählte Zamorras Sekretärin unwillkürlich die Stufen.
    Dreiunddreißig waren es.
    Sie endeten vor einem hohen Tor aus purem Gold. Die Skelette öffneten es, der Trommelwirbel wurde lauter, und vor ihnen lag eine zweite, noch größere Höhle.
    Die Knochenmänner verharrten.
    Nicole riß die Augen auf. Finsternis herrschte – aber es war eine seltsame, unnatürliche Finsternis. Nicole schauerte. Schwarzes Licht, dachte sie. So etwas gab es nicht, konnte es nicht geben – und dennoch schien hier unten eine Art schwarzes Licht zu leuchten und sorgte dafür, daß die junge Frau trotz der Dunkelheit jede Einzelheit erkennen konnte.
    Auf einem riesigen Steinsockel erhob sich eine unheimliche Statue.
    Ein häßlicher Vogelkopf saß auf dem mächtigen Körper eines Schakals. Rot und schwarz leuchtete das Gefieder, der gekrümmte Hackschnabel war messerscharf, der Blick der unheimlich glühenden gelben Augen schien Nicole bis auf den Grund ihrer Seele zu dringen. Etwas Unheimliches, namenlos Böses ging von diesen Augen aus, eine Aura gräßlicher Drohung. Und obwohl Nicole nicht wußte, wie sich die Huichol ihren Teufel Tukákame vorstellten, spürte sie doch instinktiv, daß dies ein Bildnis des schrecklichen Gottes der Finsternis sein mußte.
    Der gleiche Instinkt sagte ihr, was es mit den drei kleineren Felsblöcken auf sich hatte, mit den Ketten und den gekrümmten Dolchen in den Nischen im Gestein. Eiskalt rann es über ihre Haut. Wie ein Tier krallte sich die Angst von innen in ihre Magenwände. Rasch wandte sie den Blick ab, als könne sie so die Erkenntnis der Wahrheit von sich schieben, und sah sich weiter in der Höhle um.
    Skelette standen an den Wänden.
    Woher der dumpfe Trommelwirbel kam, war nicht genau zu bestimmen. Ein paar Meter weiter rechts gab es eine schmale, hochragende Felsensäule und…
    Nicole fuhr zusammen.
    Sie hatte Bill Fleming erkannt. Er war gefesselt. Goldene Ketten verbanden seinen Körper mit dem Stein – und absurderweise fiel Nicole in dieser Sekunde die völlig nebensächliche Tatsache ein, daß die alten Azteken ihre Ketten aus Gold geschmiedet hatten, weil ihnen die Gewinnung von Eisen unbekannt gewesen war.
    Für Sekunden traf sich ihr Blick mit dem des jungen Historikers.
    Bills Augen wurden weit.
    Auch er hatte Nicole sofort erkannt, und da er sie auf Château Montagne in Frankreich glaubte und von ihrer Reise nach Mexico nichts ahnen konnte, lähmte ihn für einen Moment die Überraschung. Sein zerschundenes Gesicht verzerrte sich. Fassungslos starrte er die junge Frau an – und mit dem nächsten Atemzug begann in seinen Augen wieder Hoffnung aufzuleuchten.
    Nicole wußte, worauf er diese Hoffnung gründete.
    Daß sie nicht allein nach Mexico gekommen war, konnte Bill sich denken. Wo Nicole Duval auftauchte, konnte Professor Zamorra nicht weit sein. Und Zamorra war dieser Dämonenbrut im Gegensatz zu Bill, Nicole und den beiden Huichol-Mädchen nicht hilflos ausgeliefert, sondern besaß die Macht und die Mittel, um dem Spuk ein Ende zu bereiten.
    Hoffentlich, dachte Nicole in einem Anflug von Verzweiflung.
    Denn anders als Bill Fleming wußte sie, daß der Professor um diese Zeit vielleicht noch in der Sierra Madre Occidental unterwegs war – und daß er eine Menge Glück brauchen würde, um noch rechtzeitig zu kommen.
    Die junge Frau schloß die Augen.
    Immer lauter, schneller wurde der Tommelwirbel – ein nervenzerfetzendes Stakkato. Die
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