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0027 - Die Grotte der Gerippe

0027 - Die Grotte der Gerippe

Titel: 0027 - Die Grotte der Gerippe
Autoren: Susanne Wiemer
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sich – aber stärker noch als die Angst war die verzweifelte Entschlossenheit, sich irgendwie aus ihrer schrecklichen Lage zu befreien.
    Dazu mußte sie zunächst einmal wissen, wo sie sich überhaupt befand.
    Der Selbsterhaltungstrieb diktierte ihr Handeln. Vorsichtig, sprungbereit glitt sie näher an die zischenden, züngelnden Vipern heran. Zwei Schritte, drei – dann stand sie dicht vor dem Ausgang der Grotte und konnte in die dahinterliegende Höhle sehen.
    Eine Höhle von riesenhaften Ausmaßen!
    Ein Steinsessel mit einem goldenen Götzenbild war das Zentrum.
    Nicole starrte die Menschenfigur mit dem Pumakopf an, sah in die grünen, aus Smaragden gefertigten Augen, und ein eiskalter Schauer rann ihr über den Rücken, als ihr bewußt wurde, daß die Statue ihren Blick erwiderte.
    Das konnte doch nicht sein!
    Das war ein Irrtum, eine optische Täuschung, das…
    Die Statue bewegte sich!
    Nicoles Augen wurden weit. Sie glaubte, nicht richtig zu sehen, sie hielt den Atem an – aber es gab keinen Zweifel daran, daß sich die goldene Figur mit dem Pumakopf wirklich bewegt hatte. Sie stützte sich in dem Steinsessel hoch, stieg langsam die drei Stufen vor dem Thron herunter und hob den Arm zu einer herrischen Geste.
    Gerippe tauchten auf.
    Sie mußten an den Wänden gestanden haben, außerhalb von Nicoles Blickfeld. Eine zweite Bewegung des goldenen Götzen verscheuchte die Schlangen. Geschmeidig glitten sie nach beiden Seiten davon, und die leuchtenden Skelette marschierten genau auf den Eingang der Grotte zu.
    Nicole wich zurück.
    Angst drohte sie zu überwältigen. Ihre Gedanken wirbelten, drehten sich im Kreis. Wie in einer Vision glaubte sie wieder, Christofero Uvaldes Gesicht vor sich zu sehen und seine Stimme zu hören:
    »Die Geister der toten Azteken. – Nach einer alten Weissagung sollen sie zurückkommen, wenn ein weißer Mann ins heilige Tal hinabsteigt und sie befreit. Sie wohnen in der Unterwelt, im Reich der Finsternis, und sie sind seit Jahrhunderten gefangen, weil Tamatz Kallaumari ein magisches Bannmal in das goldene Tor zu ihrem Reich ritzte.«
    Und dann, gleich Hammerschlägen, dröhnten auch jene anderen Worte in ihren Schädel, die sie schon gestern bis ins Mark erschreckt hatten:
    »Der Legende nach sollen die toten Azteken Tukákame, den Teufel der Huichol, auf die Welt zurückholen. Drei Menschenopfer werden dazu benötigt. Menschenopfer, wie sie bei den alten, schrecklichen Kulten der Azteken üblich waren…«
    Nicole schauerte.
    Drei Opfer, dachte sie.
    Drei…
    Und unwillkürlich streifte ihr Blick die beiden anderen Frauen.
    Die Jüngere kauerte immer noch apathisch am Boden.
    Aber das zweite Huichol-Mädchen war ebenfalls aufgesprungen, wich genau wie Nicole in den Hintergrund der Grotte zurück, und ihr hübsches bronzefarbenes Gesicht spiegelte nacktes Entsetzen.
    Es gab keinen Ausweg.
    Unaufhaltsam kamen die Gerippe heran. Die ersten duckten sich, tauchten unter den tiefhängenden Felsen des Grotteneingangs hinweg. Sie packten das apathische junge Mädchen, zerrten es hoch, und das Opfer ließ sich vollkommen willenlos nach draußen führen.
    Vielleicht war das auch besser so.
    Nicole wußte verzweifelt genau, daß sie keine Chance hatte. Die junge Huichol neben ihr wußte es vermutlich auch – aber die Bedrohung war einfach zu schrecklich, als daß sie ihrer Vernunft folgen und keinen sinnlosen Widerstand versuchen konnten.
    Nicole schnellte nach rechts, als die dürren Knochenhände nach ihr griffen.
    Geschickt wie eine Katze tauchte sie unter den zupackenden Fäusten hinweg. Neben ihr stieß die junge Huichol einen gellenden, sich überschlagenden Entsetzensschrei aus. Nicole schaffte es, den Knochenfingern zu entgehen, mit einer blitzartigen Bewegung stieß sie ein drittes Gerippe beiseite und rannte wie von Furien gehetzt auf den Ausgang der Grotte zu.
    Verzweifelt warf sie den Kopf herum, suchte nach einem Ausgang.
    Mindestens ein Dutzend Gänge zweigten von der riesigen Höhle ab. Und alle wurden von Skeletten bewacht Blindlings wandte sich Nicole nach links, lief auf gut Glück weiter, und das Höllengelächter der Statue mit dem Pumakopf gellte wie ein Orkan in ihren Ohren.
    Hinter ihr klapperten die Schritte der Verfolger über die Felsen.
    Die Skelette waren schnell, übernatürlich schnell. Nicole spürte schon nach wenigen Schritten ihre eisige Ausstrahlung. Sie stolperte, fing sich wieder, spürte das Entsetzen wie einen eisernen Ring um ihr Herz. Verzweifelt
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