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0023 - Wir faßten in ein Wespennest

0023 - Wir faßten in ein Wespennest

Titel: 0023 - Wir faßten in ein Wespennest
Autoren: Wir faßten in ein Wespennest
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gesehen, die der Junge in der Hosentasche hatte? Was stand auf der-Tüte? Wie viel Geld war da mal drin gewesen?«
    Martens hatte mir kurz zugenickt. Jetzt zog er ein Notizbuch aus der Tasche seines wetterfesten Trenchcoats, blätterte darin und las vor: »Abrechnungstüte des ›New-York Herolds‹, datiert vom letzten des vorigen Monats. Voller Aufdruck der ›Herold‹ Adresse. Mit Tintenstift ausgefüllt die folgenden Spalten. Ben Lodgers, 1256, 118.Straße, Monatsverdienst achtzehn Dollar sechzehn Cents.«
    »Moment«, sagte ich. »Das will ich mir abschreiben.«
    Ich nahm meinen Notizblock und schrieb mir Martens’Notiz Wort für Wort ab.
    »Okay, vielen Dank.«
    Martens verschwand wieder.
    »Ich weiß nicht, was ich von der Ge- ’ schichte halten soll, Cotton«, gestand Hywood. »Sollte man den Jungen wirklich wegen dieser lumpigen achtzehn Dollar umgebracht haben?«
    »Ich habe keine Ahnung, Captain. Ausgeschlossen ist es nicht. Vor ein paar Wochen wurde in der Fifth Avenue irgendwo unterm Dach eine alte, schwerhörige Frau erdrosselt auf gefunden. Der Täter erbeutete vier Dollar zwanzig.«
    Hywood schnaufte nur.
    »Machen Sie’s gut, Hywood«, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter. »Ich habe noch ein paar Dinge zu erledigen. Wegen dieser Geschichte hier bleiben wir in Verbindung, ja?«
    »Wenn Sie wollen - gern.«
    »Sie kennen ja meine Telefonnummer, unter der ich privat zu erreichen bin.«
    »Ja, ja, weiß Bescheid.«
    »Sie haben den Jungen ins Schauhaus bringen lassen?«
    »Vorläufig ja. Der Doktor kann erst heute Nachmittag die Obduktion vornehmen.«
    »Okay, ich werde mal beim Schauhaus vorbeifahren. Cheerio, Hywood.«
    »Cheerio, Cotton.«
    Ich ging. Vor meinem Jaguar musste ich wieder über die Taurollen klettern. Wäre ich doch mit der Nase mitten hineingefallen. Aber so einfach macht es einem das Schicksal leider nur selten.
    ***
    Ich fuhr zum Schauhaus. Nachdem ich mich ausgewiesen hatte, wurde ich in den Kellerraum hinabgeführt. Es sah aus wie in einer riesigen Backstube, aber es war sehr kühl. An den beiden Seitenwänden des langen, fensterlosen Raumes waren rechts und links backofenähnliche Metalltüren mit Schraubverschluss.
    Der weiß bekittelte Mann, der mich heruntergeführt hatte, kurbelte am Rad einer Tür und zog sie auf. Mit geübtem Schwung zog er eine auf Schienen laufende Bahre heraus.
    Er schlug das Laken vom Oberkörper zurück. Ich trat näher.
    Kein Zweifel.
    Es war Ben Lodgers.
    Ich blieb stehen und betrachtete eine Weile das blasse, von einem fremdartigen Hauch überwehte Gesicht des Jungen. Was war hinter dieser Stirn vorgegangen in der Stunde, seines Todes? Sicher hatte er Angst, als man die Maschinenpistole gegen ihn hob. Nur Dummköpfe und Prahler geben vor, in solchen Situationen keine Angst zu haben.
    Ich nickte.
    Mit einem metallischen Geräusch verschwand die Bahre wieder in dem tiefgekühlten langen Loch. Die Tür flog zu, das Verschlussrad wurde festgedreht.
    Schweigend stiegen wir die Stufen hinan.
    Oben tippte ich an die Hutkrempe und ging.
    Draußen empfing mich der heitere Tag, der über New-York lag. In den Straßen hasteten die Menschen, summten die endlosen Ketten der Autos, lärmte das Getriebe des großstädtischen Alltags.
    Und da unten, zwei Stockwerke unter der Erde, schlief ein vierzehnjähriger Junge seinen letzten Schlaf.
    Manchmal war alles zum Speien.
    ***
    Es war mittags gegen ein Uhr, als ich ins Distriktsgebäude zurückkam. Mister High wollte gerade sein Zimmer verlassen, um zum Mittagessen zu gehen.
    »Na, Jerry?«, fragte er und sah mich ernst an.
    Ich nickte nur.
    »Dann übernehmen Sie die Sache mit Phil natürlich.«
    Ich nickte wieder, Mister High gab mir die Hand.
    »Für Kindesmörder haben wir kein Pardon, Jerry. Gehen Sie ohne alle Nachsicht vor.«
    »Darauf können Sie sich verlassen, Chef«, sagte ich langsam.
    Im Korridor traf ich meinen Freund Phil.
    »Kommst du mit irgendwo essen?«, fragte er.
    Ich schüttelte den Kopf.
    »Keine Lust.«
    Er sah mich nur an, dann wusste er Bescheid.
    »Okay«, brummte er, »also auf zur Kantine.«
    In unserem Distriktsgebäude ist eine Kantine für hungrige G-men, die keine Zeit haben, in einem Lokal lange auf ein Essen zu warten. Aber der Schnellimbiss bei uns hat einen Nachteil, in einer Woche gibt es aus Konserven-Hammelfleisch mit Bohnen, in der nächsten Woche Bohnen mit Hammelfleisch. So abwechslungsreich sind wir.
    Wir würgten die Mahlzeit ohne viel Appetit hinunter. Als die
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