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Titel:
Autoren: Peter Pan
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einzigartig und meint, nur von statushohen Menschen verstanden zu werden und nur mit ihnen verkehren zu können, sie verlangt ständig nach Bewunderung, sie zeigt unrealistisches Anspruchsdenken und verlangt eine bevorzugte Behandlung, sie nützt zwischenmenschliche Beziehungen für die eigenen Ziele aus, sie zeigt einen erheblichen Mangel an Einfühlungsvermögen, sie ist häufig neidisch auf andere oder glaubt, daß andere auf sie neidisch seien, und sie zeigt arrogantes, überhebliches Verhalten.
    Zwischen unauffälligen Ausprägungen bis zu schweren psychopathologischen Störungen gibt es aber viele Variationsmöglichkeiten. Narzißten sind nämlich häufig sozial außerordentlich gut angepaßt und haben eine bemerkenswerte Befähigung zu aktiver und beharrlicher Arbeit in Bereichen, die ihnen die Erfüllung ihrer Größenambitionen ermöglichen und Bewunderung von anderen verschaffen. Entsprechend findet man sie oft in führenden Industrieunternehmen, in akademischen Institutionen oder in künstlerischen Berufen. Eine Ursache für die Entwicklung dieser ichbezogenen Menschen wird im Einfluß dominierender, kalter und zugleich überfürsorglicher Elternfiguren – und insbesondere der Mütter – gesehen, die eigene narzißtische Phantasien an ihrem Kind auslassen. Häufig sind Narzißten das einzige Kind in der Elternfamilie, oder sie waren das einzige begabte oder besonders hübsche Kind, von dem die Eltern erwarteten, daß es die ehrgeizigen Ambitionen der gesamten Familie erfüllen werde.
    Der Narzißt also als neuer Sozialcharakter? Eher nicht, denn diesen Typus hatte ja schon Wilhelm Hauff im Sinn, die genannten Eigenschaften beschreiben präzise den Charakter des Peter Munk nach seiner Herztransplantation. Der Narzißt ist der Sozialcharakter der industriellen Gesellschaft. Was ihm fehlt, ist die Befähigung zur Gefühlsarbeit nach dem Modell der Linda de Mol.
    Um dies zu zeigen, fangen wir wieder »von unten« an, bei den veränderten Arbeitsbedingungen. Wie gesehen, muß der moderne Arbeitnehmer in der lateralen, team-orientierten Organisation mit einem ständig wechselnden Ensemble von Personen zusammenarbeiten, zunehmend auch aus unterschiedlichen Kulturen. Dazu muß er immer wieder neu kollegiale Kontakte herstellen, sie eine Weile halten und nach getaner Arbeit wieder beenden können. Diese Art von Teamarbeit erzwingt geradezu darstellerische Fähigkeiten der Teilnehmer, die sich in gestanzten Floskeln wie »Wie interessant«, »Wie können wir gemeinsam das Problem lösen?«, »Was Sie sagen, ist sehr wertvolle zeigen. »Trotz all des Psychogeredes, mit dem sich das moderne Teamwork in Büros und Fabriken umgibt, ist es ein Arbeitsethos, das an der Oberfläche der Erfahrung bleibt. Teamwork ist die Gruppenerfahrung der erniedrigenden Oberflächlichkeit«, beschreibt Sennett (1998, S. 133) diese Veränderungen. Aber auch andere organisationspsychologische Sozialtechniken, wie etwa Verfahren der Personalauswahl, Gespräche mit Vorgesetzten, Führungsverhalten, Verhandlungen und Verkaufsgespräche, erfordern ein Verhalten, das in der Organisationspsychologie kühl als Eindrucksmanagement bezeichnet wird (vgl. Aronson et al., 1999). Allgemein erfordern turbulente und gelegentlich feindliche Organisationsumwelten, ständige und schnelle technologische Veränderungen sowie flexible Organisationsprozesse zukünftig erheblich höhere kommunikative Anforderungen.
    Ebenso verlangen die shareholder-value- Unternehmenspolitik und die Prozesse der Globalisierung den gekonnten Einsatz darstellerische Fähigkeiten. Beispielsweise muß ein gut ausgebildeter Amerikaner im Verlaufe von vierzig Arbeitsjahren elf Orts- und Stellenwechsel bewältigen (Sennett, 1998), jedesmal muß er sich durch entsprechendes Eindrucksmanagement gegen Mitbewerber durchsetzen, sich anschließend in der neuen Umgebung wieder sympathisch in Szene setzen. Bei dauerhaft durchschnittlich 10% Arbeitslosigkeit und bei rund 13% befristeten Arbeitsverträgen in Deutschland (Statistisches Bundesamt, April 2002) gilt dies sicherlich auch bei uns.
    Der nachhaltigste Einfluß geht aber von der Veränderung der Industriegesellschaft zur Dienstleistungsgesellschaft aus. Wie Hochschild (1990) nachgewiesen hat, fordert und fördert gerade sie massiv die Fähigkeit zur Gefühlsarbeit. Dies alles ist aber ist nicht das Geschäft des kalt auf seinen Vorteil bedachten Narzißten. Der neue Sozialcharakter muß vor allem ein guter Gefühlsarbeiter sein, einer,
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