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Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)

Titel: Zwölf Jahre Ein Sklave: 12 Years a Slave (Gesamtausgabe) (German Edition)
Autoren: Solomon Northup
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verlassen hatten.
     
    Es war eine dunkle Nacht. Alles war ruhig. Ich konnte in Richtung Pennsylvania Avenue Lichter erkennen, vielleicht auch deren Widerschein, aber es war kein Mensch zu sehen. Fast war ich versucht, einen Ausbruchsversuch zu unternehmen. Ohne die Handschellen hätte ich es sicher versucht, ungeachtet der Konsequenzen, die dies nach sich gezogen hätte. Radburn stellte die Nachhut und hatte einen großen Stock in der Hand, mit dem er die Kinder antrieb so schnell zu laufen, wie sie konnten. So passierten wir, in Handschellen und leise, die Straßen Washingtons – die Straßen der Hauptstadt eines Landes dessen Regierungskredo, so wird uns zumindest erzählt, hauptsächlich auf den Füßen des unabdingbaren Rechts eines Menschen auf FREIHEIT und dessen Strebens nach Glück steht! Sei gegrüßt, du glückliche Nation!
     
    Als wir das Dampfschiff erreicht hatten wurden wir schnell in den Frachtraum gedrängt und fanden uns zwischen Fässern und Frachtkisten wieder. Ein farbiger Diener brachte eine Lampe, eine Glocke ertönte und bald begann das Schiff den Potomac hinunter zu fahren – niemand wusste wohin. Die Glocke ertönte als wir Washingtons Grab passierten! Burch hatte ohne Zweifel seinen Hut abgenommen und sich vor der heiligen Asche des Mannes verbeugt, der sein illustres Leben dem Kampf für die Freiheit seines Landes gewidmet hatte.
     
    Außer Randall und der kleinen Emmy schlief niemand in dieser Nacht.
    Zum ersten Mal sah ich Clem Ray vollkommen übermannt. Für ihn war die Vorstellung, nach Süden gehen zu müssen, das Schlimmste aller Übel. Er verließ gerade seine Freunde und alles, was ihn mit seiner Jugend verband, alles was ihm wichtig war und am Herzen lag – verbunden mit der großen Wahrscheinlichkeit, dass dies ein Abschied für immer war. Seine Tränen vermischten sich mit denen Elizas und beide beklagten ihr grausames Schicksal. So schwer mir das fiel kämpfte ich tapfer meine Gefühle nieder und versuchte meine Lebensgeister zu bewahren. In meinem Gehirn ersann ich hunderte Fluchtpläne und war fest entschlossen, den Versuch bei der kleinsten sich bietenden Gelegenheit zu wagen. Auch hatte ich zu dieser Zeit bereits meinen Frieden damit geschlossen, nichts Weiteres über meine Geburt als freier Mann verlauten zu lassen. Dies würde mich nur weiterer Misshandlung aussetzen und meine Chancen auf Befreiung verschlechtern.
     
    Nach Sonnenaufgang wurden wir auf Deck gerufen, um zu frühstücken. Burch nahm uns die Handschellen ab und wir durften uns an einen Tisch setzen. Er fragte Eliza ob sie einen Schluck Alkohol wolle. Sie lehnte höflich dankend ab. Während des Mahls waren wir alle still – nicht ein Wort wurde gesprochen. Eine Mulattin, die uns das Essen reichte, schien sich für uns zu interessieren und erklärte, dass wir fröhlich und nicht so niedergeschlagen sein sollten. Nach dem Frühstück legte man uns die Handschellen wieder an und Burch beorderte uns aufs Achterdeck. Dort saßen wir zusammen auf ein paar Kisten, aber in Burchs Gegenwart redete noch immer niemand ein Wort. Hin und wieder kam ein Passagier raus, schaute uns kurz an, und verschwand schweigend wieder.
     
    Es war ein sehr angenehmer Morgen. Die Felder entlang des Flusses waren schon leuchtend grün, viel weiter als ich es zu dieser Jahreszeit gewohnt war. Die Sonne schien warm und die Vögel sangen in den Bäumen. Die glücklichen Vögel – ich beneidete sie. Ich wünschte mir Flügel, die mich durch die Luft tragen konnten zu meinen Vögelchen, die in den kühleren Regionen des Nordens umsonst auf die Rückkehr ihres Vaters warteten.
     
    Gegen Vormittag erreichte der Dampfer Aquia Creek. Dort gingen alle von Bord und stiegen in Kutschen. Burch und wir fünf Sklaven hatten eine für uns allein. Burch alberte mit den Kindern und kaufte ihnen bei einem Halt sogar ein Stück Lebkuchen. Er befahl mir. meinen Kopf zu erheben und klug auszusehen; er erklärte mir, dass ich vielleicht einen guten Herrn bekommen würde, wenn ich mich zu benehmen wüsste. Ich gab ihm keine Antwort. Sein Gesicht war hasserfüllt und ich konnte es nicht ertragen, hineinzusehen. Ich saß in der Eckte und nährte in meinem Herzen die noch nicht ganz erloschene Hoffnung, dass mir dieser Tyrann eines Tages auf dem Boden meines Heimatstaats begegnen würde.
     
    In Fredericksburg wurden wir von den Kutschen in größere Fahrzeuge umgeladen und erreichten noch vor Einbruch der Dunkelheit Richmond, die Hauptstadt Virginias. In
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