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Zwischen Himmel und Liebe

Zwischen Himmel und Liebe

Titel: Zwischen Himmel und Liebe
Autoren: Cecelia Ahern
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das irische Wort für Freiheit. Ihre Mutter hatte den Namen ausgesucht, in ihrem letzten verzweifelten Versuch, die Mutterpflichten, die sie so verachtete, weniger als Strafe zu sehen. Sie wünschte sich, ihre zweite Tochter würde sie befreien – von den Fesseln der Ehe, von der Mutterschaft, von der Verantwortung … und von der Realität.
    Saoirses und Elizabeths Mutter hatte ihren Mann und Vater ihrer beiden Töchter mit sechzehn kennen gelernt. Sie kam mit einer Gruppe von Dichtern, Musikern und Träumern durch die Stadt und begegnete im örtlichen Pub dem jungen Farmer. Er war zwölf Jahre älter als sie und hingerissen von ihrer wilden, mysteriösen Art und ihrem sorglosen Wesen. Sie fühlte sich geschmeichelt. So heirateten sie. Mit achtzehn bekam sie das erste Kind, Elizabeth. Doch wie sich herausstellte, konnte ihre Mutter sich nicht damit zufrieden geben, ihr Leben in dem verschlafenen Städtchen in den Hügeln zu fristen, wo sie doch eigentlich nur auf der Durchreise gewesen war, und wurde immer frustrierter. Das schreiende Baby und die vielen schlaflosen Nächte sorgten dafür, dass sie sich im Kopf immer weiter entfernte. Träume von persönlicher Freiheit vermischten sich mit der Realität, und sie war oft tagelang einfach verschwunden. Sie ging auf Entdeckungsreise, suchte neue Orte und Menschen.
    Mit zwölf Jahren sorgte Elizabeth nicht nur für sich selbst, sondern auch für ihren stillen, grüblerischen Vater. Sie fragte nie, wann ihre Mutter zurückkommen würde, denn sie wusste, dass sie immer wieder auftauchte, mit geröteten Wangen, funkelnden Augen und voller Geschichten über die Welt und alles, was sie zu bieten hatte. Wie eine frische Sommerbrise wehte sie durch das Leben ihres Mannes und ihrer Tochter, Aufregung und Hoffnung im Schlepptau. Wenn sie da war, veränderte sich die Atmosphäre in dem kleinen Farmhaus schlagartig, alle vier Wände lauschten und absorbierten ihre Begeisterung. Dann saß Elizabeth am Fußende des Betts ihrer Mutter und lauschte den atemlos erzählten Geschichten, ganz kribbelig vor Freude. So blieb es ein paar Tage, bis ihre Mutter des Berichtens müde war und lieber neue Geschichten erleben wollte.
    Oft brachte sie Andenken mit, in Form von Muscheln, Steinen oder Blättern. Elizabeth erinnerte sich noch an eine Vase mit langen frischen Grashalmen, die mitten auf dem Esstisch stand, als enthielte sie die exotischsten Pflanzen, die jemals erschaffen worden waren. Auf die Frage, wo die Halme gepflückt worden waren, zwinkerte ihre Mutter nur geheimnisvoll, tippte sich mit dem Zeigefinger auf die Nasenspitze und versprach Elizabeth, sie würde es eines Tages verstehen. Ihr Vater saß meist still auf seinem Stuhl am Kaminfeuer und las die Zeitung, ohne sie jemals umzublättern. Auch er verlor sich in der Welt der Worte.
    Als Elizabeth zwölf war, wurde ihre Mutter wieder schwanger, und obwohl sie dem neugeborenen Baby den Namen Saoirse gab, schenkte das Kind ihr nicht die Freiheit, nach der sie sich so sehnte. Kurze Zeit später brach sie zu einer neuen Expedition auf, von der sie nicht mehr zurückkehrte. Brendan, Elizabeths und Saoirses Vater, hatte kein Interesse an dem jungen Leben, das seine Frau vertrieben hatte, wartete weiter schweigend in seinem Stuhl am Feuer auf ihre Rückkehr und las die Zeitung, ohne je eine Seite umzublättern. Jahrelang. Immerzu. Bald war Elizabeths Herz es müde, auf ihre Mutter zu hoffen, und Saoirse wurde ihre Verantwortung.
    Saoirse hatte das keltische Äußere ihres Vaters geerbt, die rotblonden Haare und die helle Haut, während Elizabeth das Ebenbild ihrer Mutter war: olivfarbene Haut, schokobraune Haare, fast schwarze Augen – die Einflüsse des Jahrtausende alten spanischen Bluts. Mit jedem Tag ähnelte Elizabeth ihrer Mutter mehr, und sie wusste, dass das für ihren Vater schwer war. Sie begann, sich dafür zu hassen, und strengte sich nicht nur an, ihren Vater aus seiner Schweigsamkeit zu locken, sondern noch viel mehr, ihm und sich selbst zu beweisen, dass sie ganz anders war als ihre Mutter. Vor allem, dass sie loyal sein konnte. Als Elizabeth mit achtzehn die Schule beendete, stand sie vor dem Dilemma, nach Cork ziehen zu müssen, um auf die Universität zu gehen. Eine Entscheidung, für die sie all ihren Mut brauchte. Ihr Vater fühlte sich im Stich gelassen, genauso wie jedes Mal, wenn Elizabeth eine neue Freundschaft schloss. Er verzehrte sich nach Zuwendung und wollte das einzig Wichtige im Leben seiner Töchter
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