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Zweifel in Worten

Zweifel in Worten

Titel: Zweifel in Worten
Autoren: Nathan Jaeger
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öfters?
    Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen. Ich meine, wenn ... na ja, vielleicht sollte ich die Klappe nicht so weit aufreißen. Um Eure Frage zu beantworten: Beziehungen? Was sind das?
    Ich bin Single, ich war immer Single und vermutlich werde ich das auch immer sein, wenn mir nicht auf der Arbeit oder in der U-Bahn Mister Right vor die Füße springt.
    Um das gleich zu klären: Ich glaube nicht, dass es (für mich!) einen Mister Right gibt. Ich war auch nie verliebt und kann mir auch nicht vorstellen, dass ich jemals so etwas wie Liebe empfinden werde. Vielleicht, weil ich hinter diesem großen Wort nichts weiter sehen kann als Körperchemie.
    Und mit der kenne ich mich tatsächlich ganz gut aus. Oder ich kannte, muss ich wohl sagen. Ich habe nicht immer in Berlin gelebt und hatte genug Gelegenheit zu Feldversuchen, wenn Ihr versteht ... ;)
    Aber genug davon – das hatte ich nämlich auch, deshalb jetzt eben Berlin und nicht mehr Köln.
    Ich bin übrigens Germanist und Literaturwissenschaftler und arbeite als Lektor (das ist der, der entscheidet, welche Bücher in die Kataloge aufgenommen werden) bei den Berliner Stadtbibliotheken. Jedes neue Buch geht über meinen Schreibtisch, und wenn es sein muss, lese ich auch zu Hause durch, was demnächst ausgeliehen werden kann.
    Andere Hobbys hatte ich auch mal, aber das Fitnessstudio hat mich seit meiner Anmeldung vor fünf Monaten genau zweimal gesehen. Und das mit dem Fechten kann ich gut verstehen, hab ich auch gemacht. Vielleicht habt Ihr einen Tipp, in welchem Verein ich mich anmelden sollte, wenn ich wieder damit anfangen will?
    Hm, dann war da noch eine Frage, bei der mir die Antwort ziemlich schwerfällt, weil sie mir vor Augen führt, wie erbärmlich arm mein Leben derzeit ist – vielleicht schon immer war ...
    Ich vermisse Freundschaft, eventuell auch Nähe. Jemanden zum Reden. Merkt man auch, oder? ;)
    Egal, will Euch ja nicht volljammern.
    Eine Frage, die gar nicht so direkt auf Euch bezogen ist, sondern mehr auf die Tatsache, dass wir hier mailen, lässt mich nicht ganz los: Was genau versprecht Ihr Euch von der Anzeige, den Mails, den Kontakten?
    Hm, zu Eurem Äußeren fällt mir grade nichts Passendes ein, ich kann nur sagen, dass Ihr mich um genau 15 Zentimeter überragt. Ich bin also 1,88 Meter groß. Reichte mir bisher auch, aber wenn ich überlege, dass ich zu Euch hochgucken müsste, wird mir bewusst, dass das bisher nie der Fall war.
    Blaue Augen und blondes Haar finde ich übrigens sehr apart. Einfach so zum Angucken. Dagegen bin ich echt langweilig.
    Was bleibt mir noch? Ah ja, ich schicke die Nachricht ab und warte einfach, wann von Euch wieder etwas zurückkommt.
    Neugierige Grüße
    Frank

    ~*~

    Gabriel drehte den Kopf hin und her und versuchte, sich zu entspannen. Seine Nackenmuskeln waren heute nicht nur widerspenstig, sondern schlicht unerträglich. Dabei musste er noch einige Mails beantworten und konnte sich keine weitere Verzögerung leisten.
    Ein sanftes Pling teilte ihm mit, dass eine weitere Email eintraf. Er seufzte und sah nach, aus welcher Abteilung sie kam.
    Erstaunt begriff er, dass sie nicht dienstlichen Ursprungs war, sondern von Frank.
    Ein Blick zur Uhr, Sam war noch unterwegs, aber lesen konnte er ja schon mal ...
    Gedacht getan.
    Franks Text ließ ihn nachdenklich gegen die hohe Lehne seines Bürostuhls sinken und die Lippen schürzen.
    „Dem geht’s ja überhaupt nicht gut“, murmelte er vor sich hin und erschrak, weil Sam neben ihn trat.
    „Wem geht’s nicht gut? Gibt’s einen Notfall?“
    Wann hatte er denn die Tür geöffnet?! Gabriel sah perplex zur geschlossenen Doppeltür aus Holz, die auf der Innenseite eine Polsterung mit schwarzem Leder besaß, dann wieder zu seinem Freund.
    „Nein, kein Notfall. Und ich meine Frank. Hier, lies mal seine Email von grade eben.“
    Sam drehte Gabriels Stuhl, setzte sich auf dessen Schoß und küsste ihn erst einmal. „Hallo? Zuerst will ich dich anständig begrüßen!“
    Gabriel lächelte. „Gute Idee.“ Er erwiderte den Kuss und setzte hinzu: „Und jetzt lies!“
    Sam tat es. „Oh Mann, das klingt wirklich übel. Wie kann man nur so verbittert sein? Ob er was Schlimmes erlebt hat? Aber er schreibt doch, dass er noch nie eine Beziehung hatte!“
    „Es gibt ja auch genug andere Dinge, die einen zum Zynismus erziehen können.“ Gabriel neigte erneut mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf nach links und rechts.
    „Stimmt, aber wieso wirken dann seine anderen
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