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Zwei wilde kleine Hexen

Zwei wilde kleine Hexen

Titel: Zwei wilde kleine Hexen
Autoren: Cornelia Funke
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fest. Ratlos sah sie sich um. »Meinst du, hier ist es richtig?«
    »Dahinten ist es!«, rief Lilli.
    Bei Tageslicht sah das verlassene Haus nicht mehr verwunschen, sondern einfach nur schäbig aus. Sie öffneten das quietschende Gartentor und liefen nach hinten in den Garten. Bis zu den Knöcheln standen sie im Waldmeister, der Gundermann kitzelte ihre Waden. Aber von der Hexe war nichts zu sehen.
    »Vielleicht haben wir alles nur geträumt«, sagte Rosanna.
    »Quatsch, das Haus ist doch da, oder?«, sagte Lilli. »Und dieser Gundermann, oder wie der heißt, auch. Von dem würde ich bestimmt nicht träumen. Komm!« Sie zog Rosanna mit sich. »Bestimmt ist sie im Haus.«
    Sie liefen zu dem Fenster, durch das sie in der vergangenen Nacht geklettert waren. Die Bretter lagen noch davor im hohen Gras. Durch die offenen Fensterflügel hörten sie Elfriedes Stimme.
    »Ach, nun mach schon, Brunhilde!«, schimpfte sie.
    Die Mädchen lugten durchs Fenster. Mitten in dem leeren Zimmer lag die Hexe auf dem staubigen Holzfußboden und redete mit ihrer Kröte.
    »Hallo, Elfriede«, sagte Rosanna. Ihr Herz machte einen kleinen Sprung aus Freude darüber, dass die Hexe kein Traum gewesen war.
    »Hallo, ihr beiden«, sagte Elfriede und winkte ihnen zu. »Steht nicht da wie angewachsen, kommt rein.« Dann wandte sie sich wieder der Kröte zu. »Also, Brunhilde, letzter Versuch.«
    Vor der Kröte stand eine grüne Glasschale. Dumpf glotzte sie hinein.
    »Du fiese, schleimige Fliegenfresserin«, sagte Elfriede. »Du schmerbäuchige alte Giftspritzerin. Du warzenübersätes Wabbelgesicht!«
    Die Kröte gluckste leise. Es klang, als lachte sie.

    »Zaubernuss und Bilsenkraut!«, schimpfte die Hexe. »Mehr fällt mir nun wirklich nicht ein!«
    »Was machst du denn da?«, fragte Lilli neugierig.
    »Ich versuche, an etwas Krötengift zu kommen«, sagte Elfriede. »Aber die alte Brunhilde spuckt einfach nichts aus.«
    »Vielleicht solltest du etwas freundlicher zu ihr sein!«, schlug Rosanna vor.
    »Freundlichkeit hilft da gar nichts. Kröten spucken nur Gift, wenn sie wütend sind. Sehr wütend. Und das ist der Haken. Brunhilde wird einfach nicht mehr wütend auf mich. Kennt eben längst alle meine Schimpfwörter. Und neue fallen mir einfach nicht ein.«
    Die Kröte blinzelte und schnappte nach einer Fliege.
    »Kann ich es mal versuchen?«, fragte Lilli.
    »Aber bitte sehr!« Elfriede rutschte ein Stück zur Seite. »Versuch es. Aber komm ihr nicht zu nahe.«
    Kichernd kniete Lilli sich vor die Kröte hin. Rosanna setzte sich neben sie.
    »Du mickriger Laubfrosch«, sagte Lilli.
    Gelangweilt schloss die Kröte die Augen.
    »Du grausliger Giftpudding.«
    Keine Reaktion.
    »Schwabbelige Schweinebacke. Glitschige alte Teichschnecke.«
    Die Kröte gluckste. Sie schien sich köstlich zu amüsieren. »Süßes Schnuckelchen«, sagte Rosanna.
    Die Kröte öffnete ihre Augen und verzog das breite Maul. Ein bisschen ärgerlich sah sie plötzlich aus.
    »Honigkuchen. Schnuckelputz«, flötete Rosanna.
    Die Krötenaugen wurden wütende Schlitze.
    »Engelchen«, hauchte Rosanna. »Zuckermäulchen.«
    Platsch! Das breite Maul spitzte sich und spuckte eine Riesenladung Krötengift in Rosannas Richtung.
    Geistesgegenwärtig riss sie die Schale hoch – und das wertvolle Gift klatschte hinein.
    Beleidigt drehte Brunhilde sich um und watschelte aus dem Zimmer.
    »Bravo!«, rief Elfriede. »Damit hättest du die erste Hexenprüfung schon bestanden.«
    »Mann, warum ist mir das nicht eingefallen?«, murmelte Lilli zerknirscht. »Aus mir wird wohl nie eine Hexe, was?«
    »Blödsinn!«, sagte Elfriede tröstend. »Du wirst noch eine wunderbare Hexe. Ich bin auch keine gute Krötenbeschimpferin. Jede Hexe hat so ihre Spezialitäten. Aber jetzt …«, sie sprang auf, »jetzt wartet noch ein bisschen Arbeit auf mich. Wo hab ich denn den Zettel?« Wieder suchte Elfriede in ihren unzähligen Kleidertaschen herum. »Ah, da. Ja.« Sie zog einen reichlich verdreckten Zettel hervor. »Habe gestern Nacht einiges vergessen. Typisch.«
    »Was ist das für eine Schrift?«, fragte Lilli.
    »Hexenschrift, was sonst? Das hier«, sie wedelte mit dem Zettel, »das sind die dreizehn wichtigsten Zaubersprüche für daheim und unterwegs. Samt Zutaten und Kochrezepten.«
    »Kochrezepte?«, fragte Rosanna ungläubig.
    »Ja, ihr glaubt nicht, wie scheußlich diese Zaubersäfte manchmal schmecken«, erklärte Elfriede. »Da muss schon ein bisschen was Schmackhaftes dran, damit so eine
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