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Zwei an Einem Tag

Zwei an Einem Tag

Titel: Zwei an Einem Tag
Autoren: David Nicholls
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klebte, roch nach irgendeinem dänischen Shampoo; künstlicher Pinienduft und Zigarettenrauch. Sie griff über ihn hinweg nach der Packung am Boden, zündete zwei Zigaretten an, gab ihm eine, und er richtete sich in den Kissen auf, die Zigarette im Mundwinkel wie Belmondo oder ein Darsteller aus einem Fellini-Film. Er hatte noch keinen Belmondo-oder Fellini-Film gesehen, kannte aber die coolen Schwarzweißpostkarten. Dexter hielt sich eigentlich nicht für eitel, aber es gab zweifellos Zeiten, wo er wünschte, jemand würde ein Foto von ihm machen.
    Sie küssten sich wieder, und er fragte sich flüchtig, ob die Situation irgendwelche moralischen oder ethischen Dimensionen hatte. Natürlich wäre der richtige Zeitpunkt, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, ob er mit einer Schülerin schlafen sollte oder nicht, nach der Schulfete gewesen, als Tove schwankend auf der Bettkante saß und sich die kniehohen Stiefel auszog. Selbst im Rausch von Rotwein und Lust hatte er sich bei der Frage ertappt, was Emma Morley wohl davon halten würde. Selbst als Tove ihm die Zunge ins Ohr steckte, hatte er sich innerlich eine Verteidigung zurechtgelegt: Sie ist neunzehn, erwachsen, und ich bin gar kein richtiger Lehrer. Außerdem war Emma im Augenblick weit weg, veränderte von einem Minibus auf der Umgehungsstraße einer Provinzstadt aus die Welt, und was hatte das Ganze überhaupt mit Emma zu tun? Toves kniehohe Stiefel standen jetzt umgeknickt in der Zimmerecke des Wohnheims, wo Übernachtungsgäste streng verboten waren.
    Dexter wälzte sich auf ein kühleres Terrakottafleckchen, spähte aus dem Fenster und versuchte, anhand des kleinen viereckigen Ausschnitts strahlendblauen Himmels die Uhrzeit abzuschätzen. Toves Atem verlangsamte sich, als sie einschlief, aber er hatte noch eine wichtige Verabredung. Er ließ die letzten zwei Fingerbreit Zigarette in ein Weinglas fallen und streckte sich nach seiner Armbanduhr, die auf einem ungelesenen Exemplar von Primo Levis Ist das ein Mensch? lag.
    »Tove, ich muss los.«
    Protestierend stöhnte sie auf.
    »Ich treffe mich mit meinen Eltern. Ich muss gehen.«
    »Kann ich mitkommen?«
    Er lachte. »Das geht nicht, Tove. Außerdem schreibst du am Montag einen Grammatiktest. Geh üben.«
    »Du testest mich. Teste mich jetzt.«
    »Na schön, Verben. Präsens.«
    Sie schlang ein Bein um ihn und zog sich auf ihn. »Ich küsse, du küsst, er küsst, sie küsst …«
    Er stützte sich auf. »Wirklich, Tove …«
    »Nur zehn Minuten«, flüsterte sie ihm ins Ohr, und Dexter sank zurück auf den Boden. Warum nicht, dachte er. Schließlich bin ich in Rom, es ist ein schöner Tag. Ich bin vierundzwanzig Jahre alt, finanziell abgesichert und kerngesund. Ich will so viel erleben wie nur irgend möglich, ich tue etwas, das ich nicht tun sollte, und ich habe ein Riesenschwein. Wahrscheinlich ließ die Anziehungskraft eines Lebens, das den Sinnenfreuden, dem Vergnügen und dem Ego gewidmet ist, irgendwann nach, aber bis dahin war noch jede Menge Zeit.
Und wie gefällt dir Rom? Wie ist La Dolce Vita? (Schlags nach.) Ich sehe dich vor mir, wie du an einem Cafétisch sitzt, einen dieser »Cappuccinos« trinkst, von denen alle reden, und allem hinterherpfeifst, was nicht bei drei auf dem Baum ist. Wahrscheinlich liest du das hier mit Sonnenbrille. Nimm sie ab, du siehst peinlich aus. Hast du die Bücher bekommen, die ich dir geschickt habe? Primo Levi ist ein großartiger italienischer Autor. Das soll dich daran erinnern, dass das Leben nicht nur aus Gelati und Espadrilles besteht. Im Leben gehts nicht immer zu wie in der Eröffnungsszene von »Betty Blue«. Und wie gefällt dir das Unterrichten? Bitte versprich mir, dass du nicht mit den Schülerinnen schläfst. Das wäre einfach nur … enttäuschend.
Ich muss los. Das Seitenende droht, und aus dem Nebenraum kann ich das aufregende Geräusch von Zuschauern hören, die murmeln und sich gegenseitig mit Stühlen bewerfen. In zwei Wochen bin ich fertig mit dem Job, GOTT SEI DANK, und dann will Gary Nutkin, unser Regisseur, dass ich ein Stück über Apartheid für Vorschüler schreibe. Mit PUPPEN, Himmel, Arsch und Zwirn. Sechs Monate in einem Transit auf der M6 mit einer Desmond-Tutu-Marionette auf dem Schoß. Das schenke ich mir doch lieber. Außerdem habe ich ein Zwei-Frauen-Stück über Virginia Woolf und Emily Dickinson namens »Zwei Leben« (oder alternativ »Zwei frustrierte Lesben«) geschrieben. Vielleicht bringe ich das auf irgendeine Pub-Bühne. Als
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