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Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Zwanzig Jahre nachher (German Edition)

Titel: Zwanzig Jahre nachher (German Edition)
Autoren: Alexandre Dumas (der Ältere)
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empfahl mir die größte Wachsamkeit für den Gefangenen, und da der Wagen an seinen Schlägen keine Schlösser hat, so will ich mich zu ihm hineinsetzen. Herr von Lillebonne, seid so gefällig und führt mein Pferd am Zügel.«
    »Mit Vergnügen, mein Leutnant,« antwortete der Gebetene. D'Artagnan stieg ab, gab dem Musketier den Zügel seines Pferdes, setzte sich in die Kutsche neben den Gefangenen, und sagte mit einer Stimme, an der sich unmöglich die mindeste Gemütsbewegung erkennen ließ: »Im Trab – nach dem Palais Royal!«
    Der Wagen setzte sich auf der Stelle in Bewegung, und als man unter das Torgewölbe kam, benützte d'Artagnan die dort herrschende Dunkelheit, warf sich an den Hals des Gefangenen und rief: »Rochefort! Ihr – Ihr seid es wirklich? Irre ich nicht?«
    »D'Artagnan!« rief nun Rochefort voll Erstaunen.
    »Ach, mein armer Freund,« fuhr d'Artagnan fort, »da ich Euch seit vier oder fünf Jahren nicht mehr sah, so hielt ich Euch für tot.«
    »Meiner Treue!« entgegnete Rochefort, »mich dünkt, der Unterschied ist nicht groß zwischen einem Toten und einem Begrabenen.«
    »Und wegen welcher Schuld seid Ihr in der Bastille?«
    »Wollt Ihr, daß ich Euch die Wahrheit gestehe?«
    »Ja.«
    »Nun, ich weiß es nicht.«
    »Rochefort, Ihr setzet Mißtrauen in mich.«
    »Nein, so wahr ich ein Edelmann bin; denn unmöglich kann ich wegen der Ursache dort sein, die man mir zur Last legt.«
    »Welche Ursache?«
    »Als Nachtdieb.«
    »Ihr als Nachtdieb? Ha, Ihr treibt Scherz, Rochefort.«
    »Ich sehe das ein, das verlangt eine Erklärung, nicht wahr?«
    »Allerdings.«
    »So vernehmt denn, was geschehen ist. Eines Abends, bei einem Gelage in den Tuilerien bei Reinard mit dem Herzoge d'Harcourt, Fontrailles, de Rieux und anderen, brachte der Herzog d'Harcourt in Vorschlag, auf den Pont-neuf zu gehen und Mäntel herabzureißen; wie Ihr wißt, war das eine Belustigung, welche der Herzog von Orleans sehr in die Mode brachte.«
    »Waret Ihr denn verrückt – Rochefort, in Eurem Alter?«
    »Nein, ich war betrunken; da mir aber das Vergnügen nicht groß schien, so schlug ich dem Chevalier de Rieux vor, lieber Zuschauer als Teilnehmer zu sein, und auf das bronzene Pferd zu steigen, um das Schauspiel vom ersten Rang aus zu sehen. Gesagt, getan. Wir waren auch mittelst der Sporen, die uns als Steigbügel dienten, im Augenblick oben, saßen vortrefflich und hatten die herrlichste Aussicht. Man hatte bereits vier oder fünf Mäntel mit unvergleichlicher Geschicklichkeit geraubt, ohne daß diejenigen, welchen man sie entriß, ein Wort zu reden wagten, als es einem mir unbekannten Kalbskopf einfiel, die Wache herbeizurufen und eine Runde Polizeisoldaten auf uns heranzuziehen. Der Herzog d'Harcourt, Fontrailles und die andern ergriffen die Flucht, dasselbe wollte de Rieux tun. Ich hielt ihn aber zurück und sprach zu ihm, man würde uns da, wo wir waren, nicht suchen. Er achtete nicht auf mich, setzte den Fuß auf den Sporen, um hinabzusteigen; der Sporen brach, er stürzte, brach ein Bein, und anstatt zu schweigen, fing er wie ein Gehenkter zu schreien an. Ich wollte gleichfalls hinabspringen, doch war es schon zu spät; ich sprang in die Arme der Büttel, welche mich nach dem Chatêl führten, wo ich ruhig einschlief, in der festen Überzeugung, daß ich morgen wieder frei sein würde. Es verfloß der folgende Tag, der zweite Tag – es vergingen acht Tage – sonach schrieb ich an den Kardinal. An demselben Tage holte man mich ab und führte mich in die Bastille, wo ich seit fünf Jahren schmachte. Glaubt Ihr wohl, es war ob des Frevels, daß ich mich hinter Heinrich IV. setzte?«
    »Nein, Ihr habt recht, lieber Rochefort, deshalb kann es nicht sein, doch werdet Ihr wahrscheinlich die Ursache erfahren.«
    »Ach ja, ich vergaß, Euch zu fragen, wohin Ihr mich führet.«
    »Zu dem Kardinal.«
    »Was will er von mir?«
    »Das weiß ich nicht; ja, ich wußte es nicht einmal, daß Ihr es wäret, den ich holen mußte.«
    »Unmöglich! Ihr ein Günstling?«
    »Ich, ein Günstling?« rief d'Artagnan. »Ach mein armer Graf, ich bin jetzt mehr ein gascognischer Junker als damals, wo ich Euch, wie Ihr wißt, vor etwa zwanzig Jahren in Meung gesehen habe!« Und ein schwerer Seufzer folgte auf die Antwort. »Ihr kommt indes mit einem Befehle?«
    »Weil ich mich zufällig im Vorgemache befand und der Kardinal sich am mich wandte, wie er an jeden anderen sich gewandt hätte; ich bin aber noch immer Leutnant bei den
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