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Zur Liebe verurteilt

Titel: Zur Liebe verurteilt
Autoren: Jude Deveraux
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unbedeutendes Weib ihm einige Redensarten an den Kopf geworfen hatte, die seine Gefühle verletzten. Ja, das war der ganze Grund. Er kam sich vor wie ein Grundschüler in der ersten Klasse, der gerade eine schlechte Note für seine Rechenarbeit bekommen hat. Hinzu kam, daß die magere kleine Miß Latham ihn wahrhaftig an seine erste Lehrerin erinnerte. Die war ihm immer wie ein mürrischer alter Bussard erschienen. Sie pflegte ihm und den anderen Schülern auf den Kopf zuzusagen, daß sie dumm wären und es nie zu etwas bringen würden. Miß Latham hatte ihm das Gefühl vermittelt, er müßte ihr etwas beweisen und vielleicht auch sich selbst. Sie hatte ihn dazu veranlaßt, ihr zu zeigen, daß er kein Verbrecher war.
    Dazu wirbelten ihm noch weitere unangenehme Gedanken durch den Kopf. War er angeschossen worden, weil seine Sehkraft nachgelassen hatte oder weil seine Reaktionszeit nicht mehr ausreichte? Wenn eins davon zutraf, konnte es nur an seinem fortgeschrittenen Alter liegen.
    Er wälzte sich im Bett umher und versuchte, eine bequeme Lage für seinen schmerzenden Körper zu finden. Seinen seelischen Zustand konnte er sowieso nicht verbessern. Dabei schlug er die Augen einen Spalt weit auf. Um ein Haar hätte er einen Schrei der Überraschung ausgestoßen. Denn an seinem Bett stand wie ein stummes Gespenst - Miß Latham.
    »Was machen Sie denn hier?« fragte er. Seine Stimme verriet, daß er ihr die Schuld gab. Nur ihretwegen war ihm dieses Mißgeschick zugestoßen.
    »Ich wollte mich bei Ihnen entschuldigen«, sagte sie ruhig. Was sie wirklich dachte, war ihr nicht anzusehen. Er war daran gewöhnt, daß die Frauen sich weinend vor Kummer an seine Brust warfen und Dinge sagte wie: »Hilf mir! Hilf mir!« Aber dieses Weib war so kalt wie ein Fisch auf Eis.
    »Und mich bei Ihnen zu bedanken«, fuhr sie fort. »Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wen Sie nicht eingegriffen hätten.«
    Das besänftigte ihn einigermaßen. Und er wollte ihr schon etwas Nettes antworten, als sie plötzlich sagte: »Allerdings hätte mich der Bandit auch nie gepackt, wenn Sie nicht, aus allen Rohren feuernd, in die Bank gestürzt wären. Na ja, es ist wohl in guter Absicht geschehen.«
    Cole legte den Kopf wieder aufs Kissen und verdrehte die Augen zur Decke. »Es sieht aus, als ob ich jetzt noch eine Zeit im Fegefeuer verbringen muß, bevor ich in die Hölle komme. Wollen Sie mir helfen, Miß Latham? Dann zeigen Sie mir Ihre Eisenbahnfahrkarte! Ich will mit eigenen Augen sehen, daß Sie schleunigst aus der Stadt verschwinden. Sie fahren hoffentlich sehr, sehr weit weg und so bald wie möglich. Ich habe nämlich noch einen gesunden Arm und zwei gesunde Beine, und ich fürchte, Sie schaffen es, daß ich mir die auch noch breche oder sonst was.«
    Sie schien seine Ironie nicht zu bemerken. Denn sie sagte: »Entschuldigen Sie.« Dann wandte sie ihm den Rücken zu, hob den Rock, holte eine Lederbrieftasche aus der Geheimtasche unter dem Rock und entnahm ihr einen Gegenstand, den sie ihm dann reichte.
    In dem trüben Licht erkannte er nicht gleich, was es war. Deshalb ging sie ans Fenster und ließ die Jalousie hochschnellen. Cole hatte schon die Bemerkung auf der Zunge, er verfüge noch über ausreichende Sehkraft. Aber dann fiel ihm ein, daß sie ja diesmal gar nichts darüber gesagt hatte.
    »Was ist das?« fragte er scharf.
    »Meine Eisenbahnfahrkarte.«
    »Das sehe ich. Auch daß sie nach Waco, Texas, ausgestellt ist. Aber was zum Teufel ist denn das hier für eine Liste?« Bei den letzten Worten war er laut geworden, was ihm selber mißfiel. An die Fahrkarte angeheftet war eine Liste mit den Namen von gefährlichen, zu allem fähigen Halsabschneidern und Banditen, die ihre eigene Mutter ausrauben würden. Zu seinem Leidwesen war er ihnen allen schon einmal begegnet. Einen davon hatte er sogar erschossen.
    »Was haben Sie denn mit diesen Männern zu tun? Und warum ist die Fahrkarte auf Waco ausgestellt? Warum fahren Sie nicht nach Haus, wo immer Sie wohnen mögen?«
    »Ich fahre nach Waco, weil ich dort hoffentlich Waco-Kid treffen werde.«
    Cole fiel aufs Kissen zurück. »Würden Sie mir vielleicht verraten, was Sie von einem Hundefleisch fressenden Killer wie Waco-Kid erwarten?« Bevor sie noch antworten konnte, schoß ihm ein Gedanke durch den Kopf, und er fuhr sie funkelnden Auges an: »Sie haben doch nicht etwa vor, den zu bitten, daß er Sie heiratet?«
    »Aber selbstverständlich«, sagte sie ruhig.
    »Man sollte Sie
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