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Zuhause ist ueberall

Zuhause ist ueberall

Titel: Zuhause ist ueberall
Autoren: Barbara Coudenhove-Kalergi
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sich ein Pálffy in Südböhmen angesiedelt. Mein Großvater wird denn auch von seinen österreichischen Verwandten Onkel Hans genannt, von den ungarischen Onkel Janos und von den böhmischen Onkel Honza. Manchmal auch »Honza blázen«, Honza, der Narr, denn er war in jüngeren Jahren ein tollkühner Reiter, der kein Risiko scheute und drauflos fetzte wie ein Verrückter.
    Auf dem Schreibtisch meiner Großmutter steht als Briefbeschwerer ein gebrochener Steigbügel. Darauf ist eingraviert: »Dieser Bügel brach entzwei, / das war Hans Pálffy einerlei, / er ist als erster doch gekommen / und hat die Steeplechase gewonnen.« Den holprigen Vers haben Großpapas Freunde gedichtet und das Erinnerungsstück der Großmama, damals eine junge Braut, überreicht. Bei der Steeplechase handelte es sich übrigens um nichts Geringeres als die »Große Pardubitzer«, das schwerste Hindernisrennen in der ganzen österreichisch-ungarischen Monarchie. Das gefürchtetste Hindernis war der sogenannte Taxisgraben, eine Hecke plus Wassergraben, die es zu überspringen galt. Viele Pferde und Reiter hatten sich hier schon die Knochen gebrochen.
    Aber das ist lange her. Zu unserer Zeit gibt es den Rennstall Pálffy nicht mehr. Nur eine Kollektion von Siegespreisen in Großpapas Arbeitszimmer, Schreibzimmer genannt, erinnert an ihn. Ich stehe manchmal davor und bewundere sie: silberne Pferdefiguren, Pokale, Tabletts. Dieses Schreibzimmer ist Großpapas Sanctissimum, das Kinder allein nicht betreten dürfen. Mir gefällt es am besten von allen Zimmern im Haus. Es gibt hier tiefe Wildlederfauteuils, hinter dem Schreibtisch auf einer Staffelei ein schönes Porträt von der Großmama als junger Frau, mit hochgetürmter Jahrhundertwende-Frisur, und an den Wänden jede Menge Jagdtrophäen aus Afrika. Am eindrucksvollsten ist der schwarze Riesenkopf eines Büffels mit furchterregenden Hörnern. Das Beste am Schreibzimmer aber ist sein Duft. Es riecht nach Zigarren und Leder, ein angenehmer, maskuliner Duft, den ich später so nirgendwo mehr angetroffen habe und den ich jederzeit wiedererkennen würde.

Schloss Breznitz: ehemaliger Wohnsitz der Großeltern Pálffy, 1987
    Das Breznitzer Schloss ist ein schöner Renaissancebau mit einem Arkadenhof in der Mitte. Es hat im Lauf der Jahrhunderte viele Eigentümer gehabt. Der Berühmteste war der Blutrichter von Prag, der für seine Verurteilung der protestantischen böhmischen Rebellen im Jahre 1621 mit der Breznitzer Herrschaft belohnt wurde. Irgendwo im Hause hängt ein Porträt von ihm: ein finsterer Geselle. Sein Vorgänger als Schlossherr, Georg von Loksan, war ein Verwandter der Philippine Welser, der morganatischen Gemahlin des »Tiroler« Habsburgers Ferdinand, des jüngeren Sohnes des Kaisers Ferdinand I. In der Breznitzer Schlosskapelle hatten die beiden heimlich geheiratet. Es wurde eine der glücklichsten Ehen in der Geschichte der Habsburger. Und glücklich war offensichtlich auch die Ehe der Loksans. An das Ehepaar erinnert eine Steintafel mit der Inschrift: »viator quid spectas? georgi loksani et caterinae aquilae sacrosanctum matrimonium vides. abi et vale.« Der Spruch gefällt meinem Vater, auch er ein ausnehmend glücklicher Ehemann, besonders gut. Er übersetzt ihn uns so: Was gibt’s da zu gaffen? Du siehst die heilige Ehe des Georg Loksan und der Caterina Aquila. Hau ab und adieu.
    Großpapa Pálffy hat wenig übrig für alte lateinische Gedenktafeln. Er ist kein Intellektueller, aber er hat Charme. Ein mittelgroßer, drahtiger Mann mit einem entwaffnenden lauten Lachen. Die Frauen mögen ihn. Die Leute, die für ihn arbeiten, haben ihn auch ganz gern. Unter einer rauen Schale hat er ein weiches Herz. Wenn man wirklich etwas braucht, heißt es, kann man immer zu ihm kommen. Aber er ist ein berüchtigter Zornbinkel. Sein Jähzorn ist legendär, noch Jahre nach seiner Vertreibung erzählen die Breznitzer davon. Wenn er im Park einen unbefugten Eindringling entdeckt, flucht er aufs Schaurigste. Manchmal zieht er einen Stiefel aus und schleudert ihn gegen den Sünder. Sein Hund muss das Wurfgeschoss dann wieder zurückbringen. Auch ich fürchte Großpapas Zorn. Er will mir das Reiten beibringen und brüllt mich gleich beim ersten Mal an: Rücken grade, Fußspitzen zum Pferd, Himmelherrgott. Ich erschrecke so, dass ich nie wieder auf ein Pferd steigen will.
    Großpapas große Passion ist die Jagd. Er schießt Hasen und Fasanen, Hirsch und Reh, er hat, der Gämsen wegen, ein
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