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Zu Hause in Almanya

Zu Hause in Almanya

Titel: Zu Hause in Almanya
Autoren: Aysegül Acevit
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deutsche Sendung und kein deutscher Moderator bieten. Muss er aber auch nicht, denn dafür gibt es ja das türkische Fernsehen.
    In dessen Angebot gibt es natürlich auch Programme für Männer, die ebenfalls nicht schlecht sind. Die finden zwar nicht als Shows statt und sind auch längst nicht so schillernd und bunt wie die Sendungen für Frauen, aber dafür wird dort umso mehr geflucht und gewettert. In den berühmten Fußballsendungen geht es hoch her – kein Vergleich zum Aktuellen Sportstudio ! Da wird viel analysiert und über die Qualität von Vereinsmanagern und Spielern philosophiert, auch mal in einem Ton, der unter die Gürtellinie zielt und den Studiogästen Negativberichte in sämtlichen Zeitungen einbringt. Um das Ganze aufzulockern, wurde vor einigen Jahren eine Sendung entwickelt, die inzwischen Kult geworden ist, viel kritisiert und oft kopiert wurde. Televole – ein Magazin mit dem neuesten Klatsch über türkische Sportler und vor allem über schöne Frauen.
    Heute gibt es mehrere solcher Sendungen, die oft zwei Stunden oder länger dauern und von Insidern auch »Poposhow« genannt werden, weil die Reporter vor allem in den Sommermonaten ausgiebig von den türkischen Stränden berichten. Paparazzi machen dann Jagd auf Popsternchen, die heimlich mit ihren Liebhabern knutschen oder ihre Cellulite unter Pareos verstecken. Die neuesten Bikinimodelle der Saison werden vorgestellt, gerne auch direkt an ahnungslosen Modellen (zum Beispiel in Form von Touristinnen in Pose am Strand oder beim Schmusen mit ihrem türkischen Urlaubsflirt). Zwischendurch gibt es Clips mit den schönsten Bikinioberteilen oder mit den schönsten Bikinihöschen von hinten.
    Der ultimative Infotrend in den Shows aber sind Klatsch und Tratsch aus der türkischen Promiwelt. Wer ist wo aufgetreten, wer wurde mit wem in welchem Club beim Knutschen erwischt, wer hat wen verlassen, betrogen, belogen, befummelt, beschwipst gemacht oder bezirzt. Ging es am Anfang noch um Fußballer und ihre sportlichen Eskapaden in der Frauenwelt, so dreht sich heute alles um sämtliche Diven und (Möchtegern-) Sternchen. Sollten sich Moderatorin Gülcan oder Sänger Muhabbet mal ins Istanbuler Nachtleben verirren, könnte es gut sein, dass auch sie in einem dieser Magazine auftauchen. Dann sieht man die deutschländischen türkischen Stars mal von einer ganz anderen Seite.
    Die »normalen« Türken aus Deutschland sieht man in anderen beliebten Programmen, zum Beispiel in Castingshows. So, wie sie in Deutschland Bohlen und Kollegen amüsieren oder sogar wirklich Karriere auf der Fernsehbühne machen, so tun sie das auch im türkischen Fernsehen, wenn sie auf Türkisch singen möchten. Ab ins Flugzeug und drei, vier Stunden später steht man schon auf der »Türkei-sucht-den-Superstar«-Bühne. Einige Jungs und Mädchen aus Deutschland haben es dort schon geschafft und sind unbemerkt von der deutschen Öffentlichkeit zu kleinen Popstars im Land ihrer Herkunft geworden, meist mit schmusigen Liedern, die beim deutschen Publikum wahrscheinlich nie eine Chance hätten. Aber es sind nicht nur die Amateure, die das türkische Publikum in den Bann ziehen, auch waschechte Profis.
    Wenn die Top-Ten-Chart-Shows auf KralTV oder Kanal D oder ATV laufen, dann ist immer wieder auch ein Name aus Deutschland dabei: Ismail YK, der Mädchenschwarm aus Hamm. Ismail trat schon als Kind zusammen mit seinen drei Brüdern und seiner Schwester auf türkischen Hochzeiten im Ruhrgebiet auf und wurde über die Jahre ein Profi. Dann drehten die Geschwister Videoclips, brachten sie ins türkische Fernsehen und sind seitdem von dort nicht mehr wegzudenken. In seiner Heimat in Deutschland hätte seine Musik kaum Chancen, und wohl deshalb wurde hier auch nie über ihn berichtet. In der Türkei landet er regelmäßig auf Platz eins. Ismail und Rafet El Roman, der auch aus Deutschland stammt, sind richtige Stars und waren auch schon bei Beyaz und in einigen Frauenshows. Nur Tarkan, der andere Türke, der aus Deutschland stammt, lässt sich dort niemals blicken – der hält sich für einen Weltstar, weswegen er als hochnäsiger Snob gilt. Ismail YK war zudem auch schon in ernsten Sendungen zu Gast, in denen zum Beispiel über die Türken in Deutschland gesprochen wird.
    Informationen und Nachrichten aus der ersten Heimat, aus dem Land, in dem man Verwandte hat, in dem man gerne Urlaub macht, müssen sein. Wenn man schon die Sprache und die Kultur versteht, dann will man dieses
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