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Zerstörter Traum vom Ruhm

Zerstörter Traum vom Ruhm

Titel: Zerstörter Traum vom Ruhm
Autoren: Heinz G. Konsalik
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an. Ein diskretes Dunkelbraun mit feinen Diagonalstreifen. Sogar helle Schweinslederhandschuhe steckte er in die linke Rocktasche und ließ die Finger etwas hervorsehen. Er hatte dies im Film bei Willy Birgel gesehen, und wer ein Gentleman werden will, orientiert sich am besten bei den Gentlemen des Films. Dann kaufte er einen Strauß roter Nelken und ließ sich von der Blumenfrau den Kopf einer geknickten weißen Nelke ins Knopfloch seines Anzuges stecken.
    »'nen schönen Jruß an dat Frollein Braut«, sagte die Blumenfrau in geübter Vertraulichkeit.
    Poltecky errötete leicht. »Danke, danke.«
    Dann fuhr er mit der Rheinufer-Bahn nach Bonn und von Bonn mit einem Bus nach Bad Godesberg.
    Die Amalien-Allee war lang, bestand aus hohen, schönen Patrizierhäusern und strahlte die Ruhe ehrwürdiger Pensionäre aus. Das Haus Nr. 17 lag in einem großen Garten, der zur Straße hin durch einen hohen Eisenzaun abgeschirmt war. Ein kleines, goldenes Schild tat kund, daß hier Herr Prof. Dr. Bolker, Facharzt für Chirurgie, wohnte.
    Franz v. Poltecky zögerte, ehe er durch das Eisentor ging und den Finger auf eine Klingel neben der dicken Eichentür legte.
    Noch kann man umkehren, dachte er. Noch kann man anständig bleiben. Noch kann man …
    Der Finger drückte auf den Klingelknopf.
    Es war zu spät, um anständig zu bleiben.
    In dem großen Treppenhaus mit der breit geschwungenen Treppe herrschte ein fades Halbdunkel. Erna Vorwerck konnte den Mann noch nicht erkennen, der unten die Tür öffnete und laut raschelnd seinen Blumenstrauß aus dem Papier wickelte.
    »Guten Tag!« rief sie herab. »Die Treppenbeleuchtung geht leider nicht. Sie wird erst um sieben Uhr abends eingeschaltet.«
    »Guten Tag!« Franz v. Poltecky sah die Treppe hinauf. Oben bemerkte er schemenhaft eine schlanke Gestalt. Das Herz schlug ihm plötzlich bis zum Hals, und er mußte schlucken, weil er das Gefühl hatte, es komme aus der Kehle heraus. »Ich finde schon zu Ihnen!« rief er etwas heiser vor Erregung. »Ich gehe den Wellen Ihrer Stimme nach wie Odysseus zu den Sirenen.«
    Wie blöd, dachte er im gleichen Augenblick, in dem er es sagte. Reiß dich zusammen, Franz! Diese Erna Vorwerck ist vom Auswärtigen Amt her gewöhnt, mit Persönlichkeiten umzugehen.
    Er umklammerte seinen Nelkenstrauß und stieg die Treppe hinauf. Je näher er Fräulein Vorwerck kam, um so stärker wurde der Duft starken Kaffees und der würzige Geruch braun gebackener Waffeln.
    Drei Tage kein Mittagessen, überlegte er, indem er Stufe nach Stufe mit flotten Schritten nahm. Viermal nur abends ein Brötchen mit Käse. Und jetzt diese Düfte. O Erna Vorwerck – und wenn du aussähest wie die Hexe im Märchen – die letzten Meter würde ich zu deinem Kaffeetisch rennen!
    Er stand auf dem Treppenabsatz und hielt ihr den Nelkenstrauß entgegen. »Ich freue mich sehr, unsere Bekanntschaft so schnell arrangieren zu können«, sagte er und atmete schnell, um die Unsicherheit, die ihn plötzlich überfiel, aus sich herauszupusten.
    »Bitte, kommen Sie doch ins Zimmer, Herr v. Poltecky.«
    Kaffee und frische Waffeln, dachte Poltecky. Meine Mutter hat sie immer gebacken und mit Puderzucker bestreut. Wie lange ist das her? Über fünfzehn Jahre … Dann fiel eine Bombe auf das Haus in der Kölner Schildergasse.
    Er trat in das große, saubere, modern eingerichtete Zimmer. Helle Gardinen, ein niedriger Couchtisch, schon fertig gedeckt für zwei Personen – Waffeln mit Puderzucker, dachte Poltecky, tatsächlich –, Sessel mit farbenleuchtenden Wollbezügen, ein modernes Sofa, abstrakte Buntdrucke in hellen Holzrahmen an den Wänden …
    Er hörte hinter sich die Türe zuklappen und drehte sich herum. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Erna Vorwerck ihn an. Dann ging ein helles Aufleuchten über ihr Gesicht, sie streckte die Arme vor, stürzte auf Poltecky zu und schrie:
    »Franz! Du!«
    Er wäre fast umgefallen, so stark war der Anprall. Mit beiden Armen umschlang sie seinen Nacken und küßte ihn auf den Mund und auf die Nase und auf die Stirn.
    »Franz!« rief sie dabei. »Du bist da! Du lebst noch!«
    Franz v. Poltecky stand steif wie ein Mastbaum im Zimmer.
    »Wieso heißt du eigentlich Franz v. Poltecky?« fragte Erna Vorwerck. Sie saßen auf dem Sofa, tranken Kaffee und aßen die braunen, mit Puderzucker bestreuten Waffeln. »Und außerdem ist es traurig, daß du deine Cousine Erna nicht gleich wiedererkannt hast, mein lieber Vetter. Ich habe dich auch noch nach achtzehn
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