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Zenjanischer Lotus (German Edition)

Zenjanischer Lotus (German Edition)

Titel: Zenjanischer Lotus (German Edition)
Autoren: Raik Thorstad
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verdient.
    Mit hochgezogenen Schultern schlenderte Sothorn in Richtung des Kais.
    Es war ein guter Tag für das Geschäftsviertel Balferes. Mehrere Handelsschiffe lagen tief vor Anker. Die Mannschaften schoben sich über die hölzernen Stege in Richtung
Unterstadt.
    Farbenfrohes Volk mischte sich mit in Brokat gekleideten Handelsleuten, Söldnern und Kindern, die spielend an den Fischständen entlang tobten.
    In der Nähe der Kneipen und Tavernen lauerten Huren, die gegen klingende Münze eine Nacht voller Leidenschaft für ausgehungerte Seeleute versprachen. Die meisten der Frauen
wirkten trotz jungen Alters verbraucht und müde. Doch wenn ein Matrose seit drei Monaten keine Haut berührt hatte, wurde jede Hure zur vollbusigen Schönheit.
    Sothorn passierte ein Schiff nach dem nächsten und musterte aufmerksam die Menge. Verborgen in der Innenfläche seiner rechten Hand verbarg er eine winzige Klinge, kaum länger als
sein Zeigefinger. Unter dem Vorhang seiner dunkelroten Haare beobachtete er die Menschen, die ihm entgegen kamen. Innerlich teilte er die Passanten in Gruppen ein, auf der Suche nach einem
Opfer.
    Den Kindern würde er sich nicht nähern, aber das bedeutete nicht, dass man sie unbeobachtet lassen durfte. Es gab ein paar rechte Schlitzohren im Hafenbezirk, die dank der
ärmlichen Verhältnisse, in denen sie aufwuchsen, zu geschickten Taschendieben geworden waren.
    Von in schlichtes Tuch gekleideten Frauen mit Einkaufskorb unter dem Arm blieb Sothorn ebenfalls fern. Er wollte keine Angestellte ausrauben, die für ihren Herrn Einkäufe erledigte und
hinterher für den Verlust des Silbers geradestehen musste.
    Es war kein Mitleid, das ihn dazu brachte, die Mägde zu schonen. Eher ein tief gehendes Gefühl von Zugehörigkeit zu einer Gruppe Menschen, die den Launen ihres Dienstherren
gnadenlos ausgeliefert war.
    Matrosen, Söldner und Seeleute fielen aus seinem Beuteschema heraus. Zwar war Sothorn in der Lage, es mit den meisten von ihnen aufzunehmen, aber ein Aufruhr auf dem Kai war nicht zu
unterschätzen. Was als einfache Messerstecherei begann, artete leicht zu einer Massenschlägerei aus. Und ab einem gewissen Punkt verlor auch ein Meuchelmörder die Übersicht
über die Vorgänge in seinem Rücken.
    Eine Gruppe feister Händler kam Sothorn entgegen und weckte seine Aufmerksamkeit. Auf den ersten Blick erkannte er, dass die wohlgenährten Männer mit den hellen Augen der
Inselbewohner des Ostens Balferes Gefahren unterschätzten. Kein Mann, der regelmäßig die Stadt besuchte, hätte seine Geldbörse offen am Gürtel befestigt.
    Es war fast zu leicht. Alles, was er tun musste, war weitergehen. Sich seine Gier nicht anmerken lassen. Warten, bis sie ihm an der engen Stelle begegneten, wo die alte Stadtmauer auf das
Häuschen des Hafenmeisters traf.
    Höflich trat Sothorn einen Schritt beiseite und entschuldigte sich, als er mit den Fremden zusammenstieß. Er neigte den Kopf, wie es sich für einen Mann ohne Stand gehörte.
Man ignorierte ihn huldvoll, versunken im Gespräch über die mangelnde Zuverlässigkeit der Seidenstofflieferanten.
    Als sich ihre Wege trennten, baumelte am Gürtel eines der Händler ein durchtrenntes Lederband und in Sothorns Hand lag ein praller Beutel voller Silbermünzen.
    Er lächelte düster.
    Die Umstände hatten ihn zu einem Dieb gemacht, und die harte Ausbildung zum Assassinen hatte ihn mit den entsprechenden Fähigkeiten beschenkt. Fingerfertigkeit – selbst mit
steifen oder zitternden Fingern – war wichtig, wenn man einen Dienstherrn hatte, der einem kein einziges Kupferstück in die Hand gab.
    Speise und Trank, Kleidung, Rüstungsteile, Waffen und der Lotus wurden ihm von seinem Meister zugeteilt. Ein eigenes Vermögen besaß Sothorn nicht, durfte er nicht besitzen.
Niemand gewöhnte einen Sklaven minutiös an eine kostbare Droge, nur um ihm hinterher die Mittel in die Hand zu geben, sich selbst damit einzudecken.
    Wenn Sothorn über die Gaben seines Herrn hinaus das Bedürfnis verspürte, sich zu betrinken, musste er stehlen.
    Auf dem Weg zu seiner bevorzugten Taverne beschleunigte er seine Schritte. Nicht, weil er die Rache des bestohlenen Händlers fürchtete, sondern weil er sich einem Ort näherte, mit
dem er eine seiner dunkelsten Erinnerungen verband.
    Schon damals war er im höchsten Maße vom Lotus abhängig gewesen, doch sein Kampfgeist und sein Wille, etwas an seinem Leben zu ändern, hatte heiß in ihm gebrannt. Er
hatte nach einem Ausweg
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