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Zeitlos

Zeitlos

Titel: Zeitlos
Autoren: Edward Finnings
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fahren. Er schwang sich auf sein im Hof stehendes Pedelec, einem selbst umgebauten und unauffällig elektrifizierten Mountainbike. Er liebte das voll gefederte Gefährt, dass er sich vor anderthalb Jahren umgebaut hatte, als er seinen Führerschein durch den läppischen, nicht einmal von ihm selbst verursachten Unfall, verlor. Der Entzug der Fahrerlaubnis hatte ihn nicht nur seine gewohnte Mobilität sondern auch seinen wissenschafts-journalistischen Job gekostet, denn ein freiberuflicher Journalist, wie er es bis dahin gewesen war, ohne Führerschein – das ging gar nicht!
    Zum Glück konnte er durch Beziehungen bei der Kieler Tageszeitung einen fest angestellten Job als Lokalredakteur ergattern, der seine Mobilitätsanforderungen deutlich reduzierte und sich mit dem Pedelec ausreichend gestalten ließ. Das signalrote Fullsuspension-Bike mit den fetten Ballonreifen wurde von nun an zu seinem Markenzeichen, und er war regelmäßig stolz, wenn es ihm gelang, noch vor der motorisierten Fotografin, an den Brennpunkten des örtlichen Geschehens zu sein. Es hatte nicht lange gedauert, bis er in der Redaktion, zunächst unter vorgehaltener Hand, später ganz ungeniert und offiziell, Speedy genannt wurde.
    Damit die Elektrifizierung unauffällig blieb, hatte er die Hochleistungsakkus, die modernsten, die der Markt hergab, in Aluminiumtrinkflaschen getarnt. Einige dieser silbernen Torpedos hingen ständig an einem Ladegerät neben seinem Schreibtisch. Wann immer er los musste, war sein automatischer Griff zu einem dieser Energiespender. Plätschners Hang zur Technik war wirklich unübersehbar.
    Auf der kurzen Fahrt zur Uni legte er sich eine Strategie zurecht. Nele war sein Türöffner zu den wissenschaftlichen Kapazitäten der verschiedenen Fakultäten. Er musste mehr über diesen Büttner erfahren. Vielleicht konnte er ihn zu einem Interview bewegen. Der Zufall kam ihm zu Hilfe. Als er den Campus befuhr, sah er den Gesuchten allein, in gemäßigtem Tempo über den Platz marschieren. Das traf sich gut. Er war ein Meister im Improvisieren. Ungeniert näherte er sich ihm auf seinem Cannondale. »Herr Büttner aus der Chemie, wenn ich nicht irre?« Der Angesprochene blieb erstaunt stehen und musterte sein Gegenüber fragend. »Entschuldigen Sie bitte, ich bin Jens Plätschner von den Kieler Nachrichten und hätte gern ein paar Fragen von Ihnen beantwortet. Es geht um die neue interdisziplinäre Mehr-Photonen-Dissoziation, die Ihre Fakultät federführend in dieser internationalen Forschungsgruppe betreut. Haben Sie den Amis also doch das Projekt abgenommen? Glückwunsch!«
    »Sie sind von der Zeitung? Haben Sie einen Presseausweis?« Plätschner wies sich aus. »Verstehen Sie etwas von der Materie?«
    »Das will ich meinen. Ich habe viele Jahre Wissenschaftsjournalistik gemacht und bereichere jetzt die KN mit meinem Fachwissen. Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich nach – abgemacht?«
    Mit einem kurzen Blick auf seine Armbanduhr meinte er, »ein paar Minuten hätte ich, aber Sie werden natürlich verstehen, dass ich nur über Dinge reden kann, die ohnehin öffentlich sind und nicht der Geheimhaltung unterliegen?«
    »Kein Problem, Herr Büttner. Ich fasse mich kurz, um Sie nicht zu lange aufzuhalten. Nur ein paar Fragen, wäre das okay?«
    »Schießen Sie los!« Sie gingen neben einander her. Ein blauer, frostiger Februarhimmel verwandelte ihre Atemluft zu Nebelfahnen, die schwerelos vor ihren Mündern hingen. Die Sonne gewann langsam wieder an Kraft, ließ beinahe schon den kommenden Frühling ahnen. »Okay! Erste Frage: Was ist an der Methode der Ferminfrarotspektroskopie so Bahn brechend neu?« Büttner ließ sich einige Sekunden Zeit, schien nachzudenken, sich zu konzentrieren. »Es ist die Symbiose aus theoretischer Berechnung der erwarteten, auffälligen Frequenzmaxima und den Spektroskopie-Ergebnissen. Weisen beide Frequenzverläufe hinreichende Ähnlichkeit zwischen Erwartung und Messung aus, so gilt der im Nanocluster vorausberechnete und somit erwartete Atomaufbau als bestätigt, falls nicht, als verworfen. Ferminfrarotstrahlen werden durch den Atomaufbau der Nanos beeinflusst, sie arbeiten ähnlich wie Röntgenstrahlen, nur dass man eben kein Bild bekommt, sondern Frequenzmuster, die in bestimmten Bereichen auffällige, typische Maxima erreichen. Wenn man so will, einen speziellen Fingerabdruck des Nanopartikels.« Erst jetzt wurde sich Büttner anscheinend des kleinen Diktiergeräts bewusst, das ihm der
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