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Zeitbombe

Titel: Zeitbombe
Autoren: Gmeiner-Verlag
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und winkte ab.
    »Das kannst du vergessen, Paul. Solche Schlösser standen nicht auf dem Lehrplan meiner Panzerknackerausbildung.«
    »Vielleicht«, gab Lenz zurück, »brauchen wir die heute gar nicht«, womit er vorsichtig die riesige, kalte Klinke herunterdrückte und an der Tür zog, die ihm langsam und schwerfällig entgegenkam.
    »Scheiße«, murmelte Hain, griff nach seiner Waffe, schob sich ein Stück in die Dunkelheit des Treppenaufgangs und lauschte.
    »Nichts«, flüsterte er und trat wieder vor die Tür. »Vielleicht hat nur jemand vergessen abzuschließen.«
    »Am Arsch hängt der Hammer. Der ist da oben«, brummte Lenz, »mit oder ohne Ludger.«
    »Dann wollen wir mal«, erwiderte sein Kollege leise und schob sich erneut nach vorn und in die Dunkelheit. Dort wartete er ein paar Sekunden, in denen sich seine Augen an die Umgebung gewöhnten. Lenz stellte sich neben ihn und sah nach oben, wo die matten Konturen einer in die runde Außenwand eingelassenen Wendeltreppe sichtbar wurden.
    »Ich glaub’s ja nicht«, murmelte der Hauptkommissar.
    »Sei froh, dass es kein Fahrstuhl ist«, bemerkte Hain in Anspielung auf die Fahrstuhlphobie seines Chefs trocken, um sich im Anschluss, so leise es ihm möglich war, Stufe für Stufe nach oben zu schrauben. Es dauerte gefühlte Stunden, und Lenz musste sich immer wieder zwingen, den Blick nicht nach unten zu richten, weil er befürchtete, sich beim Anblick des in der Mitte freien Aufgangs vor Angst in die Hosen zu machen.
    Nun griff sein Kollege an seinen Arm und bedeutete ihm, stehen zu bleiben. Dann fasste der Oberkommissar sich an die Nase und deutete nach oben. Lenz zuckte mit den Schultern.
    »Riechst du nicht das Gras?«, flüsterte Hain ihm ins Ohr.
    Wieder ein Schulterzucken.
    »Da oben ist einer, der Gras raucht.«
    Nun nahm auch Lenz den süßlichen Geruch wahr. Dass es sich dabei um Marihuana handelte, hätte er allerdings nicht auf Anhieb gewusst. Dann drang ein Stöhnen zu ihnen herunter.
    Hain sah nach oben und schätzte ab, wie weit sie noch vom Ausgang zur Besucherterrasse entfernt sein könnten. Sechs Meter, vielleicht acht, mehr nicht. Wieder drang Marihuanageruch zu ihnen durch, und diesmal hatte Lenz das Gefühl, er könne auch den dazugehörigen Rauch sehen. Hain stieg, die Pistole auf den Ausgang gerichtet, langsam weiter nach oben, hatte kurz darauf die vorletzte Stufe erreicht und ging in die Knie. Lenz kauerte sich neben ihn.
    »21 Jahre, vier Monate und sechs Tage«, sagte ein Mann mit leiser, aber drohender Stimme.
    »21 Jahre, vier Monate und sechs Tage habe ich wegen Ihnen unschuldig im Gefängnis gesessen. Das ist eine lange, lange Zeit.«
    Die Polizisten konnten ein feines Knistern hören, doch bevor sie einordnen konnten, was hinter dem Geräusch steckte, zuckte ein Blitz auf. Erschrocken drückten sie sich ein wenig dichter an die Wand. Der Donner ließ einige Sekunden auf sich warten, krachte dann jedoch mit solch aberwitziger Lautstärke in den Aufgang, dass Lenz für einen Augenblick befürchtete, sein Trommelfell würde platzen. Nun klatschten die ersten Regentropfen auf die Terrasse. Hain, dessen Klamotten noch klamm waren vom vorigen Guss, fluchte tonlos und drehte sich zu seinem Kollegen um. Mit der linken Hand deutete er an, dass er nach vorn rücken und um die Ecke sehen wollte.
    »Ich warte auf den nächsten Blitz«, flüsterte er.
    Lenz nickte.
    Während der Wartezeit, die ihnen endlos erschien, drangen immer wieder Wortfetzen zu ihnen vor, die jedoch wegen des stärker werdenden Regens nicht zu verstehen waren. Dann zuckte ein weiterer Blitz auf. Hain spannte sich, beugte seinen Körper nach vorn und wartete. Im Donner, der folgte und der ebenso ohrenbetäubend laut war wie der vorherige, wollte der junge Oberkommissar seinen Kopf um die Ecke recken und für einen Sekundenbruchteil auf die von den Scheinwerfern der Herkulesbeleuchtung hell ausgeleuchtete Terrasse spähen, hatte jedoch eine winzige Kante übersehen, die vor seinen Füßen aus dem Boden ragte und an der er hängen blieb und das Gleichgewicht verlor.
    Er konnte sich zwar abrollen, um einer Verletzung zu entgehen, aber nicht verhindern, dass sein Körper etwa zwei Meter neben dem Ausgang zur Wendeltreppe austrudelte und zum Liegen kam. Seine Waffe segelte im hohen Bogen davon.
    Lenz hatte die ganze Aktion seines Kollegen mit schreckgeweiteten Augen verfolgt und, nachdem er die fliegende Pistole gesehen hatte, innerhalb von Zehntelsekunden die Entscheidung
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