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Zehnundeine Nacht

Zehnundeine Nacht

Titel: Zehnundeine Nacht
Autoren: Charles Lewinsky
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Küche, Besteck und eine Serviette, und der Mann legte dem unerwarteten Gast Kartoffeln vor, Salat und einen Rollmops. Hausmannskost.»
    «Rollmöpse», sagte der König sehnsüchtig. «Die habe ich schon als Kind geliebt. Aber ich darf sie mir nie bestellen, weil die anderen sonst denken, ich könne mir nichts Teures leisten.»
    «Dem Besucher schmeckten sie nicht. ‹So etwas müssen Sie nicht jeden Tag servieren›, sagte er zur Hausfrau. ‹Wenn ich am Abend stark gesalzene Sachen esse, kriege ich in der Nacht Durst, wache alle paar Stunden auf und muss mir etwas zu trinken holen. Das wäre störend für Sie, und ich möchte ja auch nicht den Kleinen wecken. Wie gesagt, ich will Ihnen keine Umstände machen.›»
    «Dem hätte ich aber die Tür gezeigt», sagte der König. «In den Arsch getreten hätte ich ihn.»
    «Zu dir wäre er nicht gekommen», sagte die Prinzessin. «Weil du ihn am Bahnsteig ja hättest springen lassen.»
    «Auch wieder wahr», sagte der König.
    «Sie improvisierten ihm ein Bett in dem kleinen Zimmer, das der Hausherr sein Büro nannte, obwohl er den Computer auf dem alten Schreibtisch nur benutzte, umelektronische Patiencen zu legen. Es gab dort ein Sofa, nicht wirklich bequem und eigentlich zu klein für einen erwachsenen Mann. Aber der Besucher beschwerte sich nicht, entschuldigte sich nur sehr korrekt für die Mühe, die sie mit ihm hätten, vor allem da er seinen Gastgeber auch noch bitten müsse, ihm einen Pyjama zu leihen. In seiner Plastiktüte sei nicht sehr viel mehr drin als ein bisschen Unterwäsche und eine Zahnbürste.
    Als die Frau in der Nacht einmal aufstand, um nach dem Baby zu sehen, hörte sie den Gast leise schnarchen. Sonst störte er sie nicht weiter.»
    «Schnarche ich eigentlich?», fragte der König.
    «So laut, dass man daneben nicht schlafen kann», sagte die Prinzessin.
    «Du sollst auch nicht schlafen, wenn ich da bin», sagte der König. «Dafür bezahle ich dich nicht.»
    «Als die Frau am nächsten Morgen aufstand», erzählte die Prinzessin weiter, «saß der fremde Mann bereits in der Küche am Tisch und bat sie, sein Ei, wenn es keine Umstände mache, exakt viereinhalb Minuten lang zu kochen. ‹Ich weiß nicht warum›, sagte er, ‹aber es ekelt mich, wenn es noch halb flüssig ist.› Während sie sein Frühstück zubereitete, betrachtete sie ihn unauffällig. Der blauweiß gestreifte Pyjama stand ihm besser als ihrem Mann, fand sie.
    Der war wieder einmal zu spät aufgestanden und trank nur schnell im Stehen eine Tasse Kaffee, während er sich von seiner Frau die Krawatte binden ließ. ‹Der Kaffee ist viel zu heiß›, sagte er, und sie antwortete wie jeden Morgen: ‹Tut mir leid.› Er hatte es so eilig, dass er nicht einmal die Zeit fand, zu seinem Kind ‹Kutschikutschiku› zu sagen. Unterder Tür, das Aktenköfferchen schon in der Hand, blieb er noch einmal stehen und fragte den Mann am Küchentisch, wie lang er bleiben wolle.
    ‹Ich will überhaupt nicht bleiben›, antwortete der Mann. ‹Ich will tot sein. Aber Sie mussten sich ja einmischen.›
    Als sie dann allein waren, wollte der Gast sein Frühstücksgeschirr abräumen. Die Frau ließ das nicht zu. Sie bot ihm an, seine Jeans und sein Hemd zu waschen und das Brandloch in seinem Pullover zu stopfen, wo einmal die glühende Spitze einer Zigarette draufgefallen war. Er könne sich ja so lang etwas von den Sachen ihres Mannes aussuchen, dessen Kleiderschrank sei übervoll, und vor allem die helleren Anzüge ziehe er nie an. Sie müssten in etwa dieselbe Größe haben, meinte sie.
    Der Mann wählte einen beigen Sommeranzug, ein hellblaues Hemd und eine dunkelblaue Krawatte. Seine ausgetretenen Schuhe sahen sehr unpassend dazu aus, aber zum Glück hatte er auch die gleiche Schuhgröße wie der Hausherr. Er solle doch ein bisschen spazieren gehen, meinte die Frau, das würde ihm bestimmt guttun. Aber er solle unbedingt einen Mantel anziehen.
    In der Tasche des Mantels fand er einen vergessenen Zwanzig-Euro-Schein und kaufte davon einen Blumenstrauß. Gelbe Rosen, ihre Lieblingsblumen.»
    «Was sind deine Lieblingsblumen?», fragte der König.
    «Gelbe Rosen», sagte die Prinzessin.
    «Du hast einen Scheißgeschmack», sagte der König. «Rosen müssen rot sein.»
    «Die Flecken waren aus den Jeans nicht rausgegangen, und die Frau fand, er solle den Anzug ruhig anbehalten, ihrMann ziehe ihn sowieso nie an. Ob ihm eine Suppe und ein paar belegte Brote zum Mittagessen reichten, wollte sie
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