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Yoga-Anatomie

Yoga-Anatomie

Titel: Yoga-Anatomie
Autoren: Amy Leslie u Matthews Kaminoff
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geben.
Von der Wiege zur Schwerkraft
    Statt den Körper als ein aus Zügen und Scharnieren bestehendes System zur Überwindung der Schwerkraft anzusehen, begreifen wir ihn als dynamisch verbundene Reihe von spiralförmigen Röhren, Kanälen und Kammern, die sich von innen heraus selbst stützen.
    Diese Stützfunktion geschieht teilweise unabhängig von der Muskeltätigkeit und ihrer Stoffwechselleistung. Dieses Phänomen nennen wir »intrinsisches Gleichgewicht« und seine Wirkungsprinzipien lassen sich daran messen, wie Wirbelsäule, Brustkorb und Becken durch mechanische Spannung miteinander verknüpft sind. Die von diesen Strukturen gebildeten Hohlräume weisen einen Druckunterschied auf, der unsere Organe aufwärts streben lässt, hin zum Brustkorb, der Körperregion mit dem niedrigsten Druck.
    Warum braucht man eine gewisse Praxis, um diese tief im Innern liegende Stützfunktion nutzen zu können? Gewohnheitsmäßige Anspannung häuft sich an im Laufe des lebenslangen Einsatzes von Zügen und Scharnieren gegen die ständige Belastung durch die Schwerkraft und laufend modulierte Atemmuster sind eine Methode, um unsere innere Gefühlswelt zu regulieren. Solche Atmungs- und Haltungsgewohnheiten wirken meist unbewusst, es sei denn, absichtliche Veränderungen ( tapah ) beeinflussen durch eine Praxis wie Yoga das System. Daher bezeichnen wir Yoga auch oft als kontrollierte Stresssituation.
    Vor diesem Hintergrund wird das Praktizieren der Asanas zu einer systematischen Erforschung und Befreiung der tiefer liegenden, sich selbst erhaltenden Kräfte von Atem und Haltung. Vorschläge hinsichtlich Atmung, Körperhaltung und Achtsamkeit, die bei dieser Erforschung weiterhelfen können, bietet der Asana-Teil des Buches.
    Asanas sind keine Formen, die dem menschlichen Organismus aufgezwungen werden sollen. Stattdessen sollten sie als Möglichkeit begriffen werden, die von der Natur vorgesehene innere Ordnung aufzudecken . Was nicht bedeutet, dass wir Fragen zur Haltung, Stellung oder zum Bewegungsablauf vernachlässigen sollten. Wir möchten nur betonen, dass die richtige Haltung ein Mittel zu einem höheren Zweck ist und kein Selbstzweck. Wir leben nicht, um Yoga auszuüben, sondern wir praktizieren Yoga, damit wir leben – leichter, freudvoller und anmutiger.

    1 Reinhold Niebuhr (1892–1971), US-amerikanischer Theo­ loge: »Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
    2 Aus Yoga-Sutras von Patañjali, 4. Kapitel, Sutra 3, in: The Heart of Yoga: Developing Personal Practice von T. K. V. Desikachar (Inner Traditions International, 1995)

 

     
    D ieses Kapitel behandelt, ausgehend von der Zelle, die Anatomie der Atmung aus yogischer Sicht. Von der Zelle als Grundeinheit des Lebens kann man überraschend viel über Yoga lernen. Tatsächlich kann man die wesentlichen Grundideen des Yoga durch aufmerksames Beobachten der Zellform und -funktion ableiten. Und wenn man das Funktionsprinzip einer einzelnen Zelle versteht, hat man das Funktionsprinzip von allem begriffen, was aus Zellen besteht, wie etwa das des menschlichen Körpers.
Die Zelle als Basis des Yoga-Unterrichts
    Zellen sind die kleinsten Bausteine aller Lebensformen, vom Einzeller bis zum Tier mit vielen Billionen Zellen. Der menschliche Körper, der aus ungefähr 100 Billionen von ihnen besteht, entwickelt sich aus zwei neu geschaffenen Zellen.
    Eine Zelle besteht aus drei Teilen: der Zellmembran, dem Kern und dem Zytoplasma. Die Membran der Zelle trennt die Innenwelt, bestehend aus Zytoplasma und Zellkern, von ihrer äußeren Umgebung, in der sich die für die Zelle notwendigen Nährstoffe befinden.
    Die Nährstoffe müssen die Membran durchdringen, um im Innern verstoffwechselt zu werden und der Zelle Energie für ihre Lebensfunktionen zu liefern. Als unvermeidliche Folge dieses Stoffwechselvorgangs entstehen Abfallstoffe, die wiederum durch die Membran austreten müssen.
    Jede Schwächung der Zellfunktion, um Nährstoffe herein- oder Abfallprodukte herauszulassen, resultiert im Tod der Zelle durch Entkräftung oder Vergiftung. Die yogischen Begriffe, die diesen Zellfunktionen zuzuordnen sind, lauten Prana und Apana. Die strukturellen Eigenschaften der Membran, die diese Funktionen ermöglichen, lassen sich mit den Begriffen »Sthira« und »Sukha« beschreiben.
Prana und Apana
    Das Sanskrit-Wort Prana setzt sich
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