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Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten

Titel: Xperten - Der Anfang: Kurzgeschichten
Autoren: Hermann Maurer
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der Beamte, der dies schreibt –, sind von obigen Beobachtungen auszunehmen. Jeder kennt so viele Fälle unsinniger Bürokratie, dass es fast müßig ist, solche aufzuzählen.
    Dass man im Metternich’schen Polizeistaat Meldezettel zur Kontrolle aller Einwohner einführte, ist historisch erklärbar. Dass einige wenige Länder an solchen Meldezetteln noch immer festhalten, ist mir nicht verständlich, wenn selbst so mit panischer Terrorangst erfüllte Länder wie die USA dies nicht für notwendig halten. Unlängst hat mir jemand empfohlen, Meldezettel, wo immer ich kann, mit »Hans Müller« auszufüllen und jeden Fragebogen, den ich von irgendwo erhalte, soweit wie möglich falsch auszufüllen oder wegzuwerfen, um das Meldezettel- und Fragebogenunwesen ad absurdum zu führen. Als österreichischer Bundesbeamter darf ich mich dieser Empfehlung meines Wissens nicht anschließen; ich berichte also nur über den kriminellen Vorschlag eines Bekannten.
    Zu Fragebögen und Formularen will ich aber doch konkret empfehlen: Füllen Sie nur das aus, wozu Sie gesetzlich gezwungen sind. Auch bei hochoffiziellen Formularen oder bei vielen Formularen im Verwaltungsbereich werden, fürchte ich, fehlerhafte Daten gesammelt (weil sie beim Ausfüllen bestenfalls mehr oder minder grob geschätzt werden), die ohnehin nie verwendet werden und die oft als einzige positive Auswirkung das Herz eines Statistikers höher schlagen lassen oder schließlich in einer dicken »Studie« (die niemand liest) aufscheinen.
    Bürokratie und damit verbundene Pseudoarbeit hört natürlich nicht beim Generieren, Versenden, Ausfüllen und Auswerten von Formularen und Umfragen auf.
    Dem Betreiber einer kleinen Lebensmittelfabrik wurde von einer mehrköpfigen Gesundheitsinspektions-Kommission (oder wie immer sie hieß) vorgeschrieben, den gerillten Boden aus Reinigungsgründen durch einen glatten zu ersetzen. So geschah es. Die einige Monate später tagende Sicherheitsinspektions-Kommission war freilich über den glatten Boden (Rutschgefahr!) entsetzt und schrieb gerillten Boden vor. Die beiden Kommissionen haben sich auch nach zwei weiteren Begehungen bisher nicht geeinigt.
    Zusammenfassend gefährdet Pseudoarbeit in ihren vielen Spielarten den Erfolg von Rationalisierungsmaßnahmen und bedroht unsere verfügbare Freizeit. Im Beitrag 1.5: »Wie weit kann man automatisieren?« werde ich versuchen zu argumentieren, dass die für Erwachsene im Durchschnitt notwendige Erwerbsarbeit im Laufe des nächsten Jahrhunderts auf zirka eine Stunde täglich sinken wird und sinken soll. Es sei denn, wir schaffen uns so viel Pseudoarbeit, dass auch in hundert Jahren die meisten Menschen über »zu viel Arbeit« stöhnen, ohne sich bewusst zu sein, dass der Löwenanteil davon unproduktiv und im Prinzip unnötig ist.
    PS: War das Schreiben dieses Beitrags eine Pseudoarbeit?

    1.3 Der freie Korb

    Die Gesellschaft bietet uns allen eine stattliche Anzahl von oft gar nicht so billigen Einrichtungen und Dienstleistungen an, ohne dafür etwas direkt zu verrechnen. Die entstehenden Kosten werden vielmehr über Steuern pauschal getragen.
    Beispielsweise benützen wir Gehsteige und die meisten Wanderwege und Straßen, ohne dafür etwas zu bezahlen, selbst wenn die Wege nachts beleuchtet sind, Mistkübel oder Papierkörbe für Abfall bereitstehen, Rastplätze mit Bänken, manchmal auch Picknicktischen und WC-Anlagen ausgestattet sind usw. (Dort, wo Gebühren verlangt werden, handelt es sich um einen bedauernswerten Fall von »Pseudoarbeit«.) Im Wald pflücken wir für eigenen Verzehr Beeren und Schwammerl oder sammeln Wasserkresse, Brennnesseln, Löwenzahnblätter und Sauerampfer aus Wiesen (wenn wir ein besonders modernes »Bio-Essen« zubereiten wollen); wir haben gratis benutzbare Parks mit Bänken, Kinderspielplätzen, vielleicht einem Parkschach. Wir besuchen manche Museen, Freiluftkonzerte und Ausstellungen (zumindest zeitweise) kostenlos; wir rufen die Polizei um Hilfe, wenn wir uns in Gefahr glauben, ohne dafür zu bezahlen, usw. Kurzum, es gibt eine Reihe von Angeboten, für die wir indirekt und pauschal belastet werden, aber unabhängig von der tatsächlichen Benutzung. Diese Angebote nenne ich den »freien Korb«.
    Der freie Korb ist in verschiedenen Ländern verschieden groß und kann sich im Laufe der Zeit ändern. Er ist beispielsweise in Österreich im Großen und Ganzen in den letzten Jahren gewachsen (großteils, um den Fremdenverkehr zu fördern), ist aber in
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