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Wyrm. Secret Evolution

Wyrm. Secret Evolution

Titel: Wyrm. Secret Evolution
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Tunnelwände stachen rostige Eisenträger wie Finger von Riesen hindurch, die man hier vor langer Zeit beerdigt hatte. In den Pfützen auf dem unebenen Boden hatte sich brackiges Wasser gesammelt, von dem ein ätzender Geruch ausging, der David in die Nase biss. In der Mitte führte eine unfertig wirkende Betontreppe nach unten, daneben erstreckte sich eine leere Rampe, die sicherlich für die Konstruktion einer Rolltreppe gedacht gewesen war und nun eher einer Abschusseinrichtung für Flugabwehrraketen ähnelte.
    Es hätte eine Szenerie aus einem seiner Albträume sein können. Und vielleicht war sie das auch. Vielleicht geschah jetzt wieder das, was er als Kind erlebt hatte, mal fast beiläufig und ein paar Mal mit so brutaler Kraft, dass seine Seele wie unter harten Fausthieben zu zerbrechen gedroht hatte.
    Damals waren seine Träume aus dem Schattenreich der Phantasie ausgebrochen und in seine ganz persönliche Wirklichkeit hinübergekrochen. So wie zu der Zeit, als er noch ein ganz kleiner Junge gewesen war und die Grenze zwischen Vision und Realität so brüchig wie eine angeschlagene Fensterscheibe. Der Schrecken hatte sich damals in seine Gedanken und Gefühle eingenistet, und er hatte ihn keine Sekunde mehr zur Ruhe kommen lassen. Später dann hatte er gelernt, sich einen dicken Schutzpanzer zuzulegen, und schließlich hatte er sogar Freunde gefunden.
    Der ferne Widerhall von Stimmen riss David in die Wirklichkeit zurück. Er legte den Kopf schief, um angestrengt zu lauschen. Irgendwo in der Ferne hörte er das typische Geräusch einer anfahrenden U-Bahn, die sich einem riesigen Wurm gleich durch den Untergrund schlängeln würde. In der Nähe tropfte etwas im Rhythmus leiser Dance Music, unterbrochen von dem Seufzen und Stöhnen der altersschwachen, offensichtlich schon vor Ewigkeiten aufgegebenen Anlage. Und dann hörte er das Geräusch leichter, federnder Schritte, kaum wahrnehmbar aber eindeutig.
    Er kannte diese Schrittgeräusche nur zu gut: Jana und die anderen.
    Eigentlich hätte er sich sofort umdrehen müssen, um zurück zu seinen Freunden zu laufen. Aber das konnte er nicht. Er war doch gerade erst eingetaucht in diese fremdartige, morbide und unheilige Welt, und er war sich sicher, dass sie mit jedem Schritt hinein noch viel seltsamer und erschreckender werden würde.
    Grünlich grau, Düsternis, ein Geräusch wie das seines eigenen Herzschlags; wohlige Wärme, Geborgenheit, Vertrauen und Zugehörigkeit; das Wissen, warten zu müssen, lange und fast ewiglich, bis er wieder aufgenommen wurde im Schoß der Seinen.
    Er hätte nicht sagen können, was diesen (und schon sein Leben lang ähnliche Gedanken) auslösten. Aber er spürte die Macht, die sie über ihn hatten.
    Eine Macht, die nichts Menschliches verkörpert.
    Warum nur dachte er solchen Unsinn? Diese Frage drängte David, nach einer Antwort zu suchen. Auch warum er sich manchmal – und gerade auch jetzt wieder – so seltsam benahm. Und was das alles mit seinen Albträumen zu tun hatte; und mit dem Mädchen seiner Phantasie, zu dem er sich so sehr hingezogen fühlte.
    Er zögerte. Hinter ihm waren seine Freunde, unter ihm lockte das Unbekannte. Ohne wirklich zu begreifen, was er da tat, setzte er sich wieder in Bewegung und ging weiter hinein ins Dunkel, direkt auf die riesige Öffnung im Boden vor ihm zu.
    Wie Ausdünstungen der Hölle stieg stickige und modrige Luft aus den Eingeweiden der Unterwelt nach oben, begleitet von neblig grünen Schwaden, die ihm zunehmend die Sicht erschwerten. Doch mit jedem weiteren Schritt konnte er klarer erkennen, dass die Resthelligkeit von unten kam, die ihn seine Umgebung schemenhaft erkennen ließ: eine seltsam verkantet wirkende Rolltreppe, die mitten hinein in die verwirbelten Schwaden unter ihm führte; davor eine halb verrottete Absperrung und blind gewordene Schaukästen, deren Kunststoffglas teilweise gewaltsam zerschmettert worden war. Erst als er die Rolltreppe schon fast erreicht hatte, wurde ihm klar, auf was er hier gestoßen war: auf einen der aufgegebenen U-Bahnhöfe, über die im Internet so gut wie keine Informationen zu finden waren.
    David wusste lediglich, dass einige wenige Teilabschnitte der U-Bahn gar nie erst in Betrieb genommen worden waren, während man andere schon nach Kurzem wieder stillgelegt hatte. Die Stadt schwieg zu diesem Thema, als
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