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Wolfsmondnacht (German Edition)

Wolfsmondnacht (German Edition)

Titel: Wolfsmondnacht (German Edition)
Autoren: Amy Lynn Morgan
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beim zweiten Hinsehen erkannte er einen von ihnen als seinen und Marguerites Freier. Gelegentlich hatte er sie sogar beide gleichzeitig gebucht.
    Ein Weib aus der Menge hob ihren dürren Arm und deutete auf Jean-François. »Da kommt der sittenlose Sohn der Mörderin.« Ihr Gekeif schmerzte in seinen Ohren.
    »Hexensohn! Teufelsbrut!«, schrie ein Mann, offenbar ihr Anführer, aus der Menge heraus.
    Jean-François lief an ihnen vorbei, ohne sie weiter zu beachten.
    »Die Katholiken werden immer extremer«, sagte Juliette leise.
    Jean-François hob gleichgültig die Achseln. »Er hat Recht. Auch ich hätte es Suzette zugetraut, es mit dem Leibhaftigen zu treiben. Vielleicht ist er ja tatsächlich mein Vater.«
    »Du solltest das nicht zu leicht nehmen.« Juliette trat vor ihm durch die Eingangstür des Bordells. Der Duft ihres Haares wehte an ihm vorüber wie die Erinnerung an den Frühling.
    »Hexensohn! Teufelsbrut!« wiederholte der Mann aus der Menge. Juliette sah Jean-François besorgt an.
    Er schloss die Bordelltür hinter sich. »Keine Sorge, Juliette. Die beruhigen sich wieder. In spätestens zwei Wochen nennen sie mich wieder nur noch Sodomist und Hurensohn.«
     
    Jean-François’ Augen gewöhnten sich langsam an das Dämmerlicht im Bordell seiner Mutter. Alles war in den verschiedensten Schattierungen von Rot gehalten, so als beträte man die Hölle. Juliette verschwand in einer der hinteren Kammern. Jean-François erkannte die Umrisse Estelles, der ältesten Hure des Hauses. Zu seinem Erstaunen war auch Émile hier, der selten anwesende Ehemann seiner Mutter. Sein Vater war er nicht. Tausend Väter hatte er und doch keinen.
    »Dies ist keine Taverne. Ich habe anderes zu tun, als dich zu bewirten.« Estelles rauchige Stimme füllte den ganzen Raum. Zornbebend stand sie dicht vor dem Tisch, an dem Émile saß. Dieser kraulte seinen dunkelblonden Bart.
    Émile schob Estelle seinen Krug entgegen. »Ich bin der Chef hier in diesem boui-boui und du hast zu tun, was ich dir sage. Bring mir endlich mehr Wein, Weib, doch nicht wieder diesen Beaujolpif . Der schmeckt wie Pferdepisse.«
    Jean-François hob eine Augenbraue. »So schnell, wie du die beiden Fässer geleert hast, scheint dir der Geschmack von Pferdepisse sehr zu munden.«
    Hass stand in Émiles Blick. »Werde nicht frech, chiard . Ich bin hier der Herr im Haus.«
    Wut stieg in Jean-François auf. Nur ungern ließ er sich mit Schimpfwörtern titulieren, schon gar nicht von Émile.
    »Herr im Haus?«, fragte Estelle. »Du kommst und gehst, verschwindest über Wochen, nur um irgendwann wieder aufzutauchen. Ein Hausherr führt sich anders auf.«
    Émile ignorierte sie. Er wandte sich stattdessen zu Jean-François. »Und du? Dir macht es nichts aus? Du gehst hin und siehst zu, wie sie Suzette verbrennen und es ist dir gleichgültig.«
    »Ich habe es ihr versprochen.«
    »Pah! Seltsames Versprechen. Wenn du sie geliebt hättest, so hättest du ihr dies erspart und sie in Erinnerung behalten, wie sie war. Mir jedenfalls war sie nicht gleichgültig.« Émile griff nach der Flasche, um nachzuschenken, doch Jean-François nahm sie ihm weg. »Geh in deine Kammer, bevor die Kunden kommen.«
    »Das ist meine Flasche. Gib sie mir wieder. Ich lasse mich von keiner Hure herumkommandieren.«
    »Eine Hure, die deinen Lebensunterhalt für dich verdient.«
    Émile griff nach der Flasche, doch Jean-François zog sie weiter zurück. »Werde nicht frech, sondern gib mir die Flasche!«
    »Du bekommst sie, doch erst, wenn du die Haupträume verlassen hast.«
    Alkoholatem wehte Jean-François entgegen, als Émile aufsprang. »Du hast mir gar nichts zu sagen, chiard .«
    »Dann gehe ich. In der Rue Champ-Flory ist sicher ein Plätzchen für mich frei.« Die Rue Champ-Flory war die berüchtigtste Straße von Paris für männliche Prostituierte.
    Estelle trat näher zu ihnen. »Geh bitte nach hinten, Émile. Die Kunden kommen bald«, sagte sie.
    Zu Jean-François’ Erstaunen wankte Émile tatsächlich durch den Flur in Richtung seines Hinterraumes. Vor der Tür wandte er sich um. »Ich gehe für heute; für Suzette; weil ihr Todestag ist und ich nicht so herzlos bin wie du. Nur für sie tue ich es, chiard, nur für Suzette. Sie hätte dich damals ertränken sollen.« Émile wartete keine Antwort ab, sondern schlug die Tür hinter sich zu.
    Jean-François betrat ebenfalls seinen Raum. Nur wenige Möbel besaß er. Der einzige Zierrat bestand aus Suzettes Wandbehängungen aus
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