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Wolfsdunkel -7-

Wolfsdunkel -7-

Titel: Wolfsdunkel -7-
Autoren: Lori Handeland
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irgendjemand auf die Idee kommen, Lake Bluff zu verlassen?“, wunderte sich Joe Cantrell, einstiger Chef der Feuerwehr. „Es ist eine wundervolle Stadt.“
    Für Joe – oder Sieht-nichts-Böses – war die Welt immer sonnig, was eine seltsame Wahrnehmung für einen Feuerwehrmann war. Allerdings gab es nicht viele Brände in Lake Bluff, und die wenigen, die sich ereigneten, waren nicht bedrohlich. Die Leute wohnten zu dicht beieinander und interessierten sich zu sehr für die Angelegenheiten ihrer Nachbarn, als dass ein Feuer je außer Kontrolle hätte geraten können.
    Es trat Stille ein, und alle Blicke richteten sich auf mich.
    „Ups!“, murmelte Joe.
    Ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich war fortgegangen, weil ich es musste. Es war eine Notwendigkeit gewesen. Aus dem gleichen Grund war ich zurückgekehrt. Aber darüber wollte ich mit ihnen nicht sprechen.
    Ich nahm Haltung an. Wenn ich Bürgermeisterin sein und die Rolle nicht nur spielen wollte, musste ich auch wie eine auftreten. Dieser Zeitpunkt eignete sich so gut wie jeder andere, um damit anzufangen.
    „In Ordnung.“ Ich klopfte zweimal mit den Knöcheln auf die Tischplatte. „Genug geplaudert.“
    „Was?“ Malcolm formte mit der Hand einen Trichter um sein Ohr.
    „Keine Diskussionen mehr!“, rief ich. „Wir stimmen ab. Heute Abend. Wir fällen eine Entscheidung. Zu diesem Zweck wurden Sie alle gewählt.“
    „Eine Abstimmung?“, echote Wilbur. „Sind Sie sicher? Normalerweise reden wir einfach nur über die Dinge.“
    „Ab jetzt nicht mehr. Meine Herren, greifen Sie zu Ihren Stiften!“
    Fünfzehn Minuten später war die leidige Angelegenheit vom Tisch. Neue Gehsteige vor der Schule, nachdem die alten zu Staub zerbröselt waren, und eine minimale Steuererhöhung, um sie zu finanzieren.
    „Das hat Spaß gemacht“, befand Joe. „Lasst uns das noch mal tun!“
    Wilbur krümmte sich auf seinem Stuhl zusammen. „Ich bin mir nicht sicher, ob wir so vorschnell einen Beschluss hätten fassen sollen.“
    Ich ignorierte beide und fragte stattdessen: „Irgendwelche neuen Themen?“
    Alle sahen sich schulterzuckend an.
    „Wir waren so sehr damit beschäftigt, uns über die alten den Kopf zu zerbrechen, dass uns gar keine neuen eingefallen sind“, bekannte Wilbur.
    Gott sei Dank! Allerdings befürchtete ich, dass das nicht von Dauer sein würde. Sie hatten nicht viel anderes zu tun, als sich neue Themen auszudenken.
    „Ihr Vater hat uns nie abstimmen lassen“, brummte Hoyt.
    „Vielleicht hätte er das tun sollen.“
    Alle vier starrten mich entgeistert an. Ich machte mich auf eine Rüge gefasst. Es stand mir nicht zu, Kritik zu üben. Mein Vater hatte dreißig Jahre lang gute Arbeit geleistet.
    „Die Sitzung ist geschlossen“, erklärte ich, als keine kam.
    „Was?“, schmetterte Malcolm.
    Die drei anderen steuerten im Gänsemarsch die Tür an; bestimmt konnten sie ihr Budweiser schon riechen. Malcolm sah sie abziehen und schloss sich ihnen hastig an. Ich guckte auf die Uhr. Die Versammlung hatte gerade mal eine halbe Stunde gedauert. Ich war so verdammt stolz auf mich, dass ich einen Luftsprung hätte machen können. Vielleicht würde ich diesen Job am Ende doch bewältigen. Es würde im schlimmsten Fall ein bisschen Zeit in Anspruch nehmen.

4
    Als ich eine Stunde später die Rathaustür hinter mir absperrte, zog am Horizont gerade die Dämmerung herauf. Joyce war gegen sechs gegangen, um wie jeden Tag in flottem Tempo die zwei Kilometer nach Hause zu traben.
    Mein eigener Heimweg war beträchtlich kürzer. Mein Vater hatte mir das größte Haus in Lake Bluff hinterlassen – ein weißes, weitläufiges, zweistöckiges Gebäude mit einer Veranda, die das Erdgeschoss umsäumte und zu einer Terrasse mit Blick über den Garten führte. Um nach Hause zu gelangen, musste ich nicht mehr tun, als die entgegengesetzte Richtung zu den Geschäften auf der Center Street einzuschlagen und drei Blocks bergauf zu laufen.
    Die Straßenlaternen brannten noch nicht. Die untergehende Sonne warf Ranken aus Licht und Schatten auf den Asphalt.
    Meine Absätze klapperten – ein vage unheimliches Geräusch, das meine Einsamkeit unterstrich, aber ich hatte hier nichts zu befürchten. Kriminelle Übergriffe waren in Lake Bluff praktisch unbekannt. Die einzige Zeit, in der so etwas vorkam, war während des Festivals, und dann steckten ausnahmslos Nichteinheimische dahinter. Es hatte hier seit Jahrzehnten keinen Mord mehr gegeben.
    Wie kam es dann, dass mich
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