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Wolfgang Hohlbein -

Wolfgang Hohlbein -

Titel: Wolfgang Hohlbein -
Autoren: Der Inquisito
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»Vielleicht hatte er einfach Angst«, sagte sie.
    »Vielleicht glaubte er, das wäre der einzige Ausweg.«
    Tobias schwieg. Alles, was zu sagen war, war gesagt worden. Er fühlte noch immer ihre kalte, leblose Hand.
    »Du liebst ihn immer noch«, flüsterte er.
    Doch Katrin antwortete nicht, denn irgendwo war ein gedämpftes Schleifen, Rascheln zu hören und in den
    unheimlichen grünen Schein der Fäulnis mischte sich das gelbrote Flackern von Flammen.
    Katrin sah auf, und auch Tobias wandte den Blick. Im Feuerschein der Fackel erkannte er, daß sich die Decke über ihnen hob. Die Gestalt, die plötzlich mit einer Fackel in der Hand auftauchte, bot einen furchterregenden Anblick: Ihre Kleider waren schwarz versengt und zerfetzt, und auf der Haut ihrer Hände und ihres Gesichtes zeigten sich rote, nässende Brandblasen. Trotzdem hätte Tobias es erkannt, selbst wenn es bis zur Unkenntlichkeit verbrannt gewesen wäre.
    »Natürlich liebt sie mich, armer, dummer Tor«, sagte Theowulf, und trotz seines entstellten Gesichtes lächelte er.
    Katrin richtete sich auf. In ihren Augen stand eine Verwirrung, die an Verzweiflung grenzen mußte.
    »Braucht ihr Hilfe?« fragte Theowulf. Er legte die Fackel vorsichtig auf den Boden, wobei er sorgsam darauf achtgab, daß sie nicht erlosch, und machte Anstalten, sich ebenfalls auf Hände und Knie herabzulassen. Vorsichtig rutschte er in die Höhle hinab.
    Mit zusammengebissenen Zähnen und von Schmerzen
    gepeinigt, wälzte Tobias sich herum und kroch auf den Grafen zu. Theowulf beobachtete ihn aufmerksam, streckte schließlich die Hand aus, als Tobias ihm so nahe war, daß er ihn erreichen konnte. Tobias ignorierte sie. Er versuchte, 409
    aus eigenen Kräften sich aufzurichten, schaffte es aber nicht, so daß schließlich Katrin seinen Arm ergriff und ihn auf die Füße zog. Er wankte und mußte sich an Katrins Schulter festhalten, um nicht gleich wieder zu Boden zu stürzen. Ein bitterer, unsagbar widerwärtiger Geschmack breitete sich in seinem Mund aus. Er spürte, wie das Fieber wieder in seinem Körper erwachte. Das Gift des Sees begann bereits zu wirken.
    Katrin umarmte Theowulf, preßte das Gesicht gegen seine Wange
    und fuhr erschrocken zurück, als Theowulf einen dumpfen Schmerzlaut von sich gab. Sie schien erst jetzt zu bemerken, wie schwer verletzt er war.
    »Ich hatte solche Angst um dich«, sagte Theowulf. Er streckte seine verbrannte rechte Hand aus und berührte Katrins Wange. Seine Finger hinterließen eine feuchte Spur auf ihrer Haut. Katrin schloß die Augen. Ihre Lippen begannen zu zittern, und ein leises, fast wimmerndes Stöhnen drang aus ihrer Brust.
    »Hab keine Angst«, sagte Theowulf. »Dir wird nichts geschehen. Es ist alles vorbei. Niemand wird dir jetzt mehr etwas zuleide tun. Sie sind alle tot. Alle, bis auf einen dieser dummen Mönche. Er ist verletzt, aber er wird es überleben.«
    Er wandte sich mit einem fast spöttischen Blick an Tobias.
    »Ich hätte ihn töten sollen, aber ich brauche ihn. Er wird bestätigen, daß die Hexe in dem Feuer verbrannt ist, das sie selbst entfachte, und Ihr natürlich, Pater Tobias.«
    »Ihr ... ihr habt das alles geplant«, stöhnte Tobias.
    Theowulf lachte leise. »Geplant habe ich allenfalls, daß Katrin entkommt.«
    »Werdet Ihr mich töten?« fragte Tobias ruhig.
    »Euch?« Theowulf runzelte die Stirn, als müsse er erst einen Moment nachdenken. »Aber wo denkt Ihr hin?« antwortete er dann mit übertrieben gespielter Empörung. »Ich bin kein Mörder.«
    »Oh, natürlich nicht«, erwiderte Tobias bitter. »Dafür habt Ihr Eure Leute. So wie Derwalt - oder ihren Mann.« Er deutete auf Katrin, die ihn bei diesen Worten traurig ansah.
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    Theowulf seufzte. »Ihr begreift immer noch nicht,
    Tobias«, sagte er, »und ich fürchte, Ihr würdest es auch nicht begreifen, ganz egal, wie sehr ich auch versuchte, es Euch zu erklären. Es geht nicht um Euch oder mich oder Katrin.
    »Worum dann?« fragte Tobias. »Um die Macht?«
    Theowulf überlegte einen Moment. »Vielleicht«, antwortete er. »Aber auch das spielt jetzt keine Rolle mehr.«
    »Was dann?« fragte Tobias aufgebracht. »Was ist noch wichtig für Euch, wenn ein Menschenleben so wenig zählt?
    Eure eigene Herrschaft? Eure Macht über diese Menschen hier? Wollt Ihr weiter morden, weiter betrügen und täuschen?«
    Der Graf lächelte unbeeindruckt. »Ihr irrt Euch abermals, Tobias«, sagte er geduldig.
    »So?« erwiderte Tobias höhnisch. »Habt Ihr nicht
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