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Wo Licht im Wege steht

Wo Licht im Wege steht

Titel: Wo Licht im Wege steht
Autoren: A. A. Fair
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so bedenkenlos mit Fremden einlassen.«
    »Ich weiß«, antwortete sie, »dasselbe trichterte mir meine Mutter auch ein.«
    Sie schwieg ein paar Sekunden, dann fuhr sie fort: »Ich versuchte in einem Autohotel unterzukommen, aber sie sagten mir, daß sie Damen ohne Begleitung nicht aufnehmen können.«
    Ich schwieg, und sie sprach weiter.
    »Jede Frau, die hier ohne männlichen Schutz auftritt, muß anscheinend unmoralisch sein - jedenfalls steht sie stark im Verdacht...«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, daß es Ihnen schwerfallen sollte, einen männlichen Beschützer zu finden.«
    »Nein, das nicht gerade...« Und dann fügte sie hastig hinzu: »Aber ich wollte es eben nicht. Sie gefallen mir. Wie heißen Sie eigentlich?«
    »Lam«, sagte ich, »Donald Lam.«
    »Ich heiße Lucille Hart. Da wir nun einmal Bruder und Schwester geworden sind, wäre es vielleicht besser, wir würden uns mit unseren Vornamen ansprechen.«
    Der Kellner kam und stellte die Martinis auf unseren Tisch. Gleichzeitig legte er die Rechnung daneben und wartete. Sie versuchte, mir unter dem Tisch die Zwanzigdollarnote zuzuschieben, aber ich übersah ihre Bemühungen. Ich nahm meine Brieftasche und bezahlte mit einem Zweidollarschein. Der Kellner gab mir zwei 25-Cent-Stücke heraus. Eins davon nahm ich, und der Kellner nahm sich das zweite.
    Lucille ergriff ihr Glas und sah mich an. »Auf Ihr Verbrechen!«
    Ich hielt ihr mein Glas entgegen und trank.
    Es schmeckte abscheulich. Der Drink bestand mindestens aus sechzig Prozent Eiswasser, einem kleinen Schuß Gin, wenigen Tropfen Wermut und einer Olive.
    Lucille setzte ihr Glas nieder und verzog das Gesicht.
    »Ich vermute, daß wir hier nicht sehr willkommen sind«, sagte sie dann.
    »Anscheinend nicht.«
    »Auf jeden Fall liegt ihnen daran, daß wir nicht zuviel trinken!«
    »Stimmt!«
    Ich lehnte mich im Sessel zurück und sah mich ein wenig um. Ich interessierte mich nun dafür, warum es Lucille so wichtig gewesen war, hier hereinzukommen.
    Es war Sonnabend nachmittag. Ich hatte den Mann, den ich beschatten sollte, bis in dieses Hotel verfolgt und wollte draußen warten, bis der Nachtportier kam, um noch einige Informationen zu erhalten. Aber dazu blieb noch Zeit. Die ganze Nacht lag ja noch vor mir.
    Das Geschäft in der Bar schien zu florieren. An einem der Tische saß ein schwerfälliger, dicker Herr, Ende der Fünfzig, der augenscheinlich sehr verliebt war in seine junge, platinblonde Begleiterin. Sie schien Ende Zwanzig zu sein und hart wie ein Diamant. Noch war sie sich offenbar nicht sicher, ob sie ihn erhören werde, denn während sie ab und zu fast gequält über seine Bemerkungen lächelte, blieben ihre Augen kalt. Sie taxierte ihn nur ab.
    An einem andern Tisch saßen vier Personen. Ein junger Mann mit langen Haaren und seelenvollen Augen gab in leidenschaftlichem Ton seine politischen Überzeugungen preis, während das junge Mädchen nicht gerade sehr interessiert zuhörte. Sie vernahm diese Bekenntnisse anscheinend nicht zum erstenmal. Andererseits bewunderte sie ihn aber auch und zeigte nach außen hin eine gewisse höfliche Aufmerksamkeit. Daneben saß ein Ehepaar mittleren Alters. Beide waren bemüht, ihr gegenseitiges Desinteresse voreinander zu verbergen. Sie waren sicher nur hierhergekommen, um der Monotonie ihres Alltagslebens zu entfliehen. Schließlich bemerkte ich ein anderes Paar, und ich wußte instinktiv, daß es nur dieses sein konnte, für das sich Lucille interessierte.
    Der Mann war ungefähr 42 oder 43 Jahre alt, ein Typ, zu dem man Vertrauen haben konnte. Die Linien um seinen Mund zeigten, daß er gewöhnt war, Entscheidungen zu treffen. Er hatte diese bestimmte Art rücksichtsvoller Beharrlichkeit, die versierte Kaufleute charakterisiert. Aber irgendwie schien er irritiert. Entweder hatte er eine Trennung oder eine Verführung vor. Jedenfalls merkte man ihm eine gewisse Nervosität und Besorgnis an.
    Die Frau war fünf oder sechs Jahre jünger, rothaarig, mit
    grauen Augen, und erweckte einen nachdenklichen, zurückhaltenden Eindruck. Sie war nicht auffallend hübsch, aber sie hatte ein gutgeschnittenes Gesicht und war sich dessen auch bewußt. In ihrem Blick lag Zuneigung, wenn sie mit dem Mann sprach. Es war aber mehr Zuneigung aus Respekt als Leidenschaft.
    Ich trank ein paar Schluck von der geschmacklosen Mixtur. Das Zeug war so dünn, daß man die Olive mehr herausschmeckte als den Gin.
    Allmählich stellte ich fest, daß es die rothaarige Frau war, der
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