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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich
Autoren: Diana Raufelder
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Süddeutschland besuchen wollten, dann krampfte sich jedesmal ihr Herz zusammen, wenn sie an der Avus und dem ehemaligen Grenzübergang Dreilinden vorbei brausten und die Stadt hinter ihr immer kleiner wurde.
    Die Türglocke der türkischen Bäckerei reißt sie aus ihren Gedanken. Sie stehen vor frisch gebackenem Holzofen-Fladenbrot, Bergen köstlich aussehenden Teegebäcks, Börek in allen möglichen Variationen und tausend anderen Schönheiten, von denen Ri und Belinda nicht einmal die Namen kennen. Ben bestellt auf Türkisch allerlei Dinge, zumindest wird die Tüte, die der Verkäufer geflissentlich füllt, nach und nach immer größer.
    „Wer soll das denn alles essen?“, fragt Ri.
    „Das kriegen wir schon alle“, grinst Belinda Ri zuversichtlich an.
    „Cool, wie gut du Türkisch sprichst“, sagt Belinda zu Ben.
    „Aber du kannst doch gar nicht wissen, ob ich gut Türkisch spreche.“
    „Es klingt aber gut.“
    Ri lacht.
    „Ich habe dich auch zum ersten Mal Türkisch reden hören.“
    „Vor meinem Leben in Istanbul konnte ich ja auch kein Wort.“
    „Echt?“, fragt Belinda ungläubig. „Um so toller, dass du’s jetzt kannst.“
    „Na ja, mir blieb ja gar nichts anderes übrig. Hättet ihr sechs Jahre in Istanbul gelebt, dann könntet ihr jetzt auch Türkisch.“
    Ri und Belinda gucken sich skeptisch an.
    In einem anderen Laden kauft Ben noch Schafskäse, gefüllte Weinblätter, schwarze und grüne Oliven und in Öl eingelegte getrocknete Tomaten. Diesmal spricht er Deutsch, dabei hätte Ri gern ein weiteres Mal diesen fremden Klängen gelauscht.
    „Das wird ein tolles Anti-Weihnachten“, sagt Ben freudig, als sie sich bepackt mit den Einkaufstüten auf den Weg zurück zur Weichselstraße machen.
    „Da kannst du aber sicher sein!“, lacht Ri, die fröhlich die Einkaufstüten hin und her schwingt.
    „Sag mal, wo hast du eigentlich die Kohle zum Leben her?“, fragt Belinda Ben.
    „Welche Kohle?“
    „Na das Geld, mit dem du bezahlt hast.“
    „Ach so.“
    Ri war nie der Gedanke gekommen, dass man ja auch Geld braucht, wenn man keine Eltern hat.
    „Ich bekomme Halbwaisenrente“, erklärt Ben „und ab Februar habe ich ein Stipendium zum Studieren. So ein Förderprogramm für Deutsch-Türken.“
    „Aha!“ Belinda war beeindruckt. „Und was willste studieren?“
    „Medizin.“
    „Wieso das denn?“ Belinda guckt ihn angewidert an.
    „Weiß auch nicht. Es interessiert mich einfach.“
    „Mensch Ri, da können wir uns ‘ne Scheibe von abschneiden, wa? Mit unseren Noten schaffen wir bestimmt nicht mal das Abi.“
    Ri hatte das bedrückende Schulgefühl genauso verdrängt, wie den Gedanken an ihre Eltern. Umso heftiger überfällt es sie jetzt mit all den Sorgen und Ängsten. Im Hintergrund hört sie die ermahnende Stimme ihres Vaters.
    „Scheiß Penne!“, flucht Belinda, als könne sie damit alle Schulen der Welt vernichten. Damit spricht sie Ri aus der Seele.
    „Ich hab’s!“, meint da Ben, als die drei gerade ihre schweren Einkaufstüten keuchend in den fünften Stock hinaufschleppen.
    „Nach unserem Anti-Weihnachtsfest machen wir ’ne absolut geniale Lernwoche, in der ich mit euch pauke, bis ihr umfallt.“
    Belinda und Ri stöhnen laut auf. „Spinnst du?“ „Aber echt!“
    Erschöpft lässt Ri ihre Einkaufstüten fallen.
    „Das ist eine prima Idee“, verteidigt sich Ben.
    „Jetzt haben wir den Schlamassel!“
    „Du bist ja schlimmer als unsere Eltern!“
    „Ich mache wenigstens nicht nur große Worte um eure Noten, sondern helfe euch auch!“
    „Auch wieder wahr“, gibt Belinda zu. „Aber mir fallen spontan hundert andere Sachen ein, die viel mehr Spaß machen.“
    „Zum Beispiel?“
    „Ins Kino gehen, Wii spielen, tanzen, Musik machen, shoppen...“
    „Schon gut, schon gut“, lenkt Ben ein. „Dann dürft ihr euch aber auch nicht darüber beschweren, dass ihr kein Abi schafft.“
    Ri und Belinda schauen sich fragend an.
    „Dass du so schrecklich vernünftig klingen musst“, grummelt Belinda.
    „Vielleicht können wir ja einen Deal machen“, schlägt Ri vor. „Wenn wir brav mit dir lernen, dann musst du mit uns abends was Spaßiges machen, ganz egal was es ist.“
    „Coole Idee“, lobt Belinda und grinst Ben an.
    „Also abgemacht?“
    Ben guckt die Mädchen an und nach kurzem Zögern nickt er ihnen zu. „Also wenn’s hilft! Abgemacht!“

Anti-Weihnachten
    Je näher der Abend rückt, desto leiser wird die Stadt. Menschenleere Straßen und geschlossene
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