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Wir zwei sind Du und Ich

Wir zwei sind Du und Ich

Titel: Wir zwei sind Du und Ich
Autoren: Diana Raufelder
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will Belinda wissen.
    „Nee“, sagt Ri traurig. „Kein Brief, kein Anruf, kein Zeichen. Und ich hatte nicht einmal die Adresse von Bens Vater.“
    „Hast du nicht versucht, ihn zu finden?“
    „Einen kleinen Jungen in einer sechzehn Millionenstadt zu finden, ist für eine Neunjährige echt schwierig. Zumal ich kein Türkisch spreche.“
    „Klar, dumme Frage!“
    „Außerdem weiß ich ja gar nicht, ob er überhaupt wollte, dass ich ihn finde. Schließlich hat er sich ja nie wieder gemeldet. Vielleicht ist er furchtbar böse auf mich.“
    „Aber wieso? Du hast ja gar nichts falsch gemacht!“
    „Hm. Aber warum hat er sich dann nicht gemeldet?“
    Darauf weiß auch Belinda keine Antwort.
    „Irgendwann in dieser Zeit habe ich beschlossen, nicht erwachsen zu werden“, sagt Ri plötzlich. „Ich hatte Angst davor, so zu werden wie mein Vater. Ich hatte Angst, ich könnte Ben sonst verlieren. Unser Kinderglück. Ich wollte keine Welt, in der alles nur Schein ist. Weißt du was ich meine?“
    „Klar!“, sagt Belinda empört. „So wie die Idioten aus unserer Klasse zu sein. Wer will das schon! Ein Rad im Getriebe.“
    Jetzt ist es Ri, die zustimmend nickt.
    Für einen kurzen Moment halten die beiden inne. Es ist nicht schlimm, dass keine etwas sagt. Sie genießen die Stille und den Ausblick auf die Lebendigkeit dort draußen vor dem Fenster.
    „Schau mal Ri, es schneit schon wieder“, sagt Belinda und sie schauen den dicken Flocken zu, die sich langsam über die Welt legen.
    „Schön, wa?“
    „Hm“, sagt Ri kurz, weil sie in Gedanken ist. Sie schluckt, holt tief Luft und dann platzt es aus ihr heraus: „Ich glaube, Ben ist wieder in Berlin!“
    „Was?“, schreit Belinda auf. „Und das sagst du mir erst jetzt!“
    Also erzählt Ri vom Sound-In, der „Razorblade Romance“, von dem roten Auto und von Monden und Sternen.
    Belinda ist baff. „Und was willste jetzt machen?“
    „Ihn wiederfinden!“, sagt Ri und lächelt.

Ri macht sich auf die Suche
    Die beiden Mädchen stehen auf der Pappelallee direkt vorm Impala.
    „Willste wirklich nicht mit?“
    Ri überlegt kurz, schüttelt dann aber den Kopf.
    „Nee, lass mal“, sagt sie. „Ich hab’ jetzt keinen Nerv für die Schule! Und schon gar nicht auf meine Eltern! Ich werde Ben suchen und finden! Alles andere ist jetzt egal!“
    Ri hört sich selbst diese Worte aussprechen und ist darüber noch mehr erstaunt als Belinda. Aber zum ersten Mal in ihrem Leben hat sie das Gefühl zu wissen, was richtig ist. Das fühlt sich gut an, aber auch ein klein wenig gefährlich. Ist es wirklich die richtige Entscheidung?
    Ri vertreibt die Zweifel. Zum Abschied umarmen sich die beiden Mädchen.
    „Du machst das schon!“, sagt Belinda. „Wenn du Hilfe brauchst, dann melde dich!“
    „Mach ich!“ Ri sieht Belinda dankbar an.
    Während Belinda die Pappelallee hochläuft, überquert Ri die vielen Ampeln an der Kreuzung am U-Bahnhof Eberswalder Straße. Der eisige Wind weht ihr die Haare ins Gesicht. Plötzlich durchfährt Ri ein Schüttelfrost. Wie ein Blitz dringt die Kälte in sie ein. Das ist unangenehm und angenehm zu gleich, findet Ri. Kälte und neugewonnene Freiheit vereinen sich. Es ist schön, so früh morgens auf den Straßen Berlins unterwegs zu sein, denkt sie.
    In der Pappelallee sucht sich Ri ein Internetcafé, um in den Suchmaschinen einen Hinweis auf Ben zu finden. Sogar auf türkischen Webseiten von Schulen in Istanbul schaut sie nach seinem Namen, schreibt in Foren und durchstöbert sämtliche Online-Telefonbücher, aber alles ohne Erfolg. Sie tippt in die Tasten, bis ihr der Kopf raucht. Die Zeit vergeht wie im Flug. Zuletzt sucht sie noch die Nummer vom Einwohnermeldeamt heraus und ruft von ihrem Handy aus an. Aber am anderen Ende ist nur eine unfreundliche Frauenstimme, die ins Telefon kläfft: „Auskünfte über Dritte werden nur persönlich und mit Nachweis einer Verwandtschaftsbeziehung erbracht.“ Dann legt die Frau einfach auf, ohne dass Ri noch etwas hätte fragen können. Sie ist entmutigt und fühlt sich matt, aber so schnell will sie nicht aufgeben.
    Mit der U2 fährt sie zum Alex. In den unterirdischen, türkis gefliesten Gängen kommt sich Ri jedesmal wie auf einem fremden Planeten vor. Als Kinder hatten sie und Ben fest daran geglaubt, dass es dort irgendwo einen geheimen Zugang zu einer anderen Welt geben musste. Ein Tor, eine Tür, ein Klappe – irgendetwas, das sich öffnet, wenn man eine bestimmte der Millionen Fliesen
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