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Wir beide, irgendwann

Wir beide, irgendwann

Titel: Wir beide, irgendwann
Autoren: J Asher
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Freizeichen ist Emma am Apparat.
    »Josh?«, fragt sie atemlos.
    »Was ist los? Hast du gerade …?«
    »Ich weiß gar nicht, wo ich anfangen soll«, entgegnet sie mit gepresster Stimme. »Ich hab noch mal diese Webseite geöffnet, aber …«
    »War sie immer noch da? Wie hast du sie gefunden?« Ich kann meine Aufregung nicht verbergen.
    »Kannst du rüberkommen?« Emma klingt, als sei sie den Tränen nahe. »Meine Mom und Martin sind gerade spazieren. Nimm also ruhig den Ersatzschlüssel, um ins Haus zu kommen.«
    »Willst du mir nicht erst mal sagen, was los ist?«
    »Ich habe das Gefühl, dass die Webseite echt ist«, antwortet Emma. »Und ich bin unglücklich.«
    »Das hört man. Aber warum?«
    »Ich meine, in der Zukunft. Ich werde niemals glücklich sein.«

5 ://Emma
    Josh drückt die Tür auf. »Hey!«
    Ich schaue von meinem Bett auf. Er steht auf der Schwelle und hält den Ersatzschlüssel in der Hand, den wir unter einem Stein bei der Garage verstecken. Er ist an einem Scooby-Doo-Anhänger befestigt, der aufleuchtet, wenn man auf die Hundenase drückt.
    »Tut mir leid, dass es so lange gedauert hat. Ich musste noch die Spülmaschine einräumen.« Josh vergräbt die Hände in den Hosentaschen. »Also, was gibt’s? Hast du irgendwas Unangenehmes herausgefunden?«
    Ich habe Angst, dass ich anfange zu heulen, sobald ich den Mund aufmache. Josh sieht schon wieder so aus, als wäre er lieber woanders. Irgendwie traurig, wir waren doch früher immer füreinander da. Nach der Scheidung meiner Eltern haben wir viele gemeinsame Fahrradtouren unternommen. Das war in der fünften Klasse. Und als Josh sich beim Skaten das Bein gebrochen hat, habe ich ihm in seinem Garten Gesellschaft geleistet, obwohl alle anderen im Crown Lake schwimmen waren. Josh saß letzten September bei der Hochzeit meiner Mutter neben mir und hat mich jedes Mal in den Arm gezwickt, wenn ich ein unpassendes Kichern von mir gab.
    Und jetzt ist er wieder hier, auch wenn es zwischen uns beiden wohl nie mehr so unkompliziert sein wird wie früher.
    »Ich konnte zu dieser Webseite zurückkehren«, sage ich und wische mir über die Augen. »Aber sie hat sich verändert.«
    Ich bemerke, wie Josh verstohlen zu den welken Rosen hinüberblickt, die auf meiner Kommode stehen. Graham hat sie mir vor dem Abschlussball geschenkt, als wir Fotos vor unserem Haus gemacht haben. Ich nehme mir vor, sie wegzuwerfen, sobald Josh gegangen ist.
    »Dort heißt es, dass Emma Nelson Jones auf die Lake Forest High gegangen ist«, sage ich, »und oben auf der Seite steht immer noch ›Facebook‹. Egal wohin man klickt, das bleibt immer bestehen.«
    »Vielleicht ist Facebook der Name ihrer Firma«, mutmaßt Josh.
    »Ja, vielleicht.« Aber darum geht es nicht. Es geht darum, was die Webseite über diese Emma sagt. Und wenn ich das lese, schnürt es mir den Magen zusammen.
    »Aber du weißt doch noch nicht mal, was das alles soll oder ob es halbwegs realistisch ist. Wahrscheinlich hat sich da nur jemand einen Spaß …«
    »Das ist kein Spaß!« Ich setze mich auf und berühre die Halskette, die an meinem Schlüsselbein ruht. »Die Emma Nelson Jones auf dem Foto trägt diese Halskette.«
    Josh betrachtet die Halskette mit dem dekorativen E, die ich immer trage. »Die Frau heißt eben auch Emma«, sagt er. »Da ist es doch klar, was für einen Buchstaben sie an ihrer Halskette hat.«
    »Und sie sagt, es ist Donnerstag, der 19 . Mai«, fahre ich fort.
    Josh runzelt verdutzt die Stirn.
    »Heute ist Sonntag , der 19 . Mai«, sage ich. »Das heißt also, dass sie all diese Dinge in einem anderen Jahr schreibt, in dem der 19 . Mai ein Donnerstag ist.«
    Josh schüttelt den Kopf. »Wenn dich hier jemand zum Narren hält, dann muss er an all diese Dinge gedacht haben.«
    »Aber die Webseite verändert sich ständig! Als ich gerade eben nachgeschaut habe, war da ein brandneues Foto von dieser Emma. Und andere Leute, die etwas zu ihr gesagt haben. Glaubst du wirklich, das könnte man mit einer manipulierten CD-ROM bewerkstelligen? Nein, diese Sache, dieses … Facebook oder wie das heißt, das kommt direkt aus der Zukunft.«
    Josh legt den Schlüsselanhänger auf meinen Schreibtisch und setzt sich hin. Als er an der Maus rüttelt, verschwinden die Ziegelmauern, und alles ist wieder wie zuvor: mit einer Emma Nelson Jones, die von überbackenen Makkaroni schreibt.
    »Warum steht da, dass sie dreihundertzwanzig Freunde hat?«, fragt Josh. »So viele Freunde hat doch kein
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