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Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)

Titel: Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
Autoren: Mona Misko
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dem Zustand, in dem die Herrschaft des Willens über den Körper ausgeschaltet war, und sie schmeckte noch den Gärungsgeruch aus dem Keller. Unbewusst streckte sie ihre Hand aus, um mit dem Finger die Spuren der Weinfalschen auf dem Tisch nachzufahren und fasste unvermittelt in eine Weinrebe. In dem Moment kam sie zu sich. Sie lag auf der Erde zwischen zwei Rebzeilen und begann sich zu erinnern. Nur einen Augenblick hatte sie ausruhen wollen, war auf den Boden gesunken, ihre Lider geschlossen und hatte plötzlich an ihre tote Mutter denken müssen. Sah sie in der Küche stehen. Dieses Bild hatte sie jäh elf Jahre zurück in den Weinkeller versetzt.
    Erneut wunderte sich Leonie, wie bildhaft und tiefenscharf sie Vergangenes wiedererleben konnte. In ihr blieben Erlebnisse haften, die nicht an Intensität verloren, auch wenn sie scheinbar verblassten. Sie konnte Begebenheiten abrufen und befand sich mitten im Geschehen. Mit denselben Empfindungen. So intensiv, als erlebe sie es im Augenblick. Nahm selbst Gerüche wahr, als stiegen sie ihr just in die Nase.
    Mutter hatte damals recht gehabt, als sie offenbarte, nicht mehr lange bei ihr zu sein. Leonie spürte, wie sie traurig darüber wurde. Aber sie durfte nicht mehr zurückdenken. Bald würde Vater kommen, um sie abzuholen. Doch geheime Wellen umgaben sie. Wiegten sie sanft, schlugen schon bald über sie zusammen, schluckten sie und spuckten sie im Alter von neuen Jahren wieder aus ...
    Mutter saß in ihrem Zimmer an dem kleinen Tisch, die geliebten Karten vor sich weit ausgebreitet. Eindringlich betrachte sie die farbigen Motive. Leonie setzte sich leise auf den Stuhl ihr gegenüber. Eine Weile beobachtete sie ihre Mutter Elene. Der geheime Zauber ihres Gesichtes war in den letzten Jahren einer tiefen dunklen Mystik gewichen. In diesen Jahren hatte Leonie ihre Mutter oft schwermütig erlebt. Mitbekommen, wie sie litt und häufig vor dem kleinen Altar, den sie sich in ihrem Zimmer eingerichtet hatte, kniete und betete. Schon lange schlief Mutter nicht mehr im elterlichen Schlafzimmer. Sie waren keine glückliche Familie. Der Gedanke stach in Leonies Brust. Einmal hatte sie hinter angelehnter Tür mit angehört, wie Vater ihre Mutter beschimpfte, sie anbrüllte
    „Ich hab’s nicht nur für den schönen Weinberg getan, sondern natürlich auch für euch!“
    Als er fortfuhr, hatte seine Stimme eine heuchlerische mitleidige Tonart angenommen. „Sonst wäret ihr beide unsere geliebte Ahr hinuntergerauscht, du in deiner ach so anständigen Familie untergegangen und ..., ach reden wir nicht mehr darüber.“ Ihre Mutter hatte nach seiner hässlichen Tirade nur kurz aufgeschluchzt und genau das schien Vater animiert zu haben, wütend noch einen letzten Pfeil abzuschießen, indem er hämisch und ausgiebig gelacht hatte. Leonie empfand diesen Moment nach und zuckte zusammen, als die Mutter plötzlich in einer bestimmenden Weise sagte. „ Ich sehe es in den Karten. Du kannst es auch.“
    Sie sah hoch und Leonie direkt in die Augen. „Wie schon einmal jemand in meiner Familie.“
    Intuitiv wusste Leonie sofort, wovon Mutter sprach. Trotzdem fragte sie. „ Was meinst du mit › es ‹?“
    Aber die Mutter antwortete nicht darauf, starrte zurück auf ihre Karten, als würde ihr sonst entschwinden, was sie ihr mitteilten und erklärte. „Du teilst noch eine weitere Besonderheit mit Amalie. Auch sie kam mit stehender Fruchtblase zur Welt. Aber das“, sagte ihre Mutter schmunzelnd, „sehe ich jetzt nicht in den Karten, sondern weiß ich aus der Historie unserer Familie.“ Leonie verstand nicht, was eine stehende Fruchtblase war, wagte aber nicht, die Mutter in ihrer Konzentration zu stören. Leonie wusste auch nicht, was Historie bedeutete, aber zu erfahren, wer Amalie war, interessierte sie brennend. Über diese Frau wollte sie mehr wissen.
    „ Amalie?“
    „ Sie lebte Anfang des 16. Jahrhunderts zur Zeit der Hexenverfolgungen und sollte als Hexe verbrannt werden, weil sie Dinge bewegen konnte, ohne sie zu berühren und den Menschen weissagte. Als der Scheiterhaufen unter ihr loderte, befreite sie sich durch ihre außergewöhnliche Fähigkeit und setzte anschließend die gesamte Umgebung in Brand. Viele Menschen starben, die Häuser gingen in Schutt und Asche unter. Amalie verschwand, und man hat sie nie mehr gesehen.“
    Leonie wurde kreidebleich. ›Verbrannt‹, schoss es ihr durch den Kopf.
    „Nein! Ich will nicht als Hexe verbrannt werden, Mama! Ich, ich mache es
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