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Willst du dein Herz mir schenken

Willst du dein Herz mir schenken

Titel: Willst du dein Herz mir schenken
Autoren: Marit Hannis
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Christopher sagen musste, dass er die Heizung aufdrehen sollte. Dafür war er verantwortlich.
    Doch die Psychologen schienen hitzige Gemüter zu besitzen, oder sie waren genauso großzügig mit Kleidung ausgestattet wie ihre unordentliche Kollegin, oder sie wussten, dass Teresa dadurch in tiefste Qualen gestürzt werden würde, denn glücklicherweise schien niemand zu frieren.
    »Gut«, sagte Teresa. »Dann geh ich wieder.«
    Die Psychologen nickten verständnisvoll lächelnd, dann wandten sie sich wieder ihrem Thema zu. »Bindungen und Ablösungen gelten als wesentliche Voraussetzungen einer harmonischen Persönlichkeits- und sozialen Entwicklung«, sagte ein dunkelhaariger, älterer Mann mit Brille und so dünnen Lippen, dass sie kaum noch vorhanden waren. »Die Entwicklung des sozialen Kontextes, in dem heute Liebesbeziehungen stattfinden, wurde schon in der Urzeit festgelegt. Die Suche nach Schutz und Versorgung bei Frauen sowie der Wunsch nach Fürsorge und sexueller Erfüllung bei Männern, gepaart mit dem ursprünglichen Trieb, die Gene so weit wie möglich zu streuen, beherrschen noch heute menschliche Liebe und Lust.«
    Teresa wäre am liebsten aus dem Salon gerannt, während sie immer noch das Gefühl hatte, dass sämtliche Blicke sie verfolgten. Und dass die Worte des Lippenlosen extra nur für sie gesprochen worden waren. Doch sie gab sich Mühe, ganz normal zu wirken. Ruhig setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie die Tür erreicht hatte. Dann öffnete sie diese und verließ den Salon.
    Wieder in der Diele wollte sie aufatmen, aber die Stille von vorhin war verschwunden. Stattdessen schienen Schritte aus allen Richtungen zu ertönen. Türen klappten in der Küche, danach hörte sie Schritte. Ihre Bürotür mit dem typischen Knarren war zu hören, danach ertönten ebenfalls Schritte. Vor der Tür schienen Christophers Schatten am Fenster entlang zu huschen.
    War dieser Mann denn plötzlich überall?
    Teresa rannte wieder die Treppen nach oben. Sie wollte ihn nicht sehen. Jedes Mal, wenn sie seine Gestalt irgendwo sah, fing ihr Herz an zu klopfen und zu schmerzen. Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, ohne Angst haben zu müssen, plötzlich nicht mehr sprechen zu können, weil das Klopfen ihr die Luft abschnürte. In den vergangenen Nächten hatte sie stundenlang wach gelegen und darüber nachgedacht, warum er ihr das angetan hatte. War er wirklich so herzlos und kalt? Oder warum hatte er ihr seine Ehe nicht von Anfang an erzählt? Dann hätte sie sich doch gar nicht erst auf ihn eingelassen. Oder hatte er ihr es deswegen verschwiegen? Bedeutete sie ihm wirklich so wenig?
    Vielleicht wäre es tatsächlich ganz gut, wenn er ihr alles erklären würde, damit diese quälenden Fragen endlich aus ihrem Kopf verschwanden. Doch nicht jetzt. Jetzt hatte sie nicht die Kraft dafür.
    Wieder hörte sie das Klappen einer Tür, eine Gestalt tauchte aus dem Dunkel eines Raumes aus.
    Teresa eilte die letzten Stufen hinauf, in der Hoffnung, dass er sie nicht sehen würde. Doch Christopher sah sie.
    »Teresa«, rief er. »Warte!« Er lief ihr hinterher. »Teresa!«
    Teresa war schneller. Oben angekommen hastete sie den Gang im ersten Stock entlang, dann öffnete sie eilig die kleine Tür zum Dachboden. Sie zog sie hinter sich zu und lief vorsichtig die Stiegen nach oben, direkt unter das Dach. Dort setzte sie sich auf einen Stapel alter, staubiger Bretter unter einem winzigen Dachfenster und hielt wieder die Luft an.
    Gedämpft durch die Tür hörte sie Christophers Rufe. Er schien nichts von der Tür zum Dachboden zu wissen, die außer Teresa sonst auch niemand nutzte. Hierher hatte sie sich bisher auch nur zweimal verirrt, einmal, als sie ein paar Bretter suchte, auf die sie Blumentöpfe stellen konnte, und das andere Mal war gestern, als sie den kaputten Schrank aus einem der Zimmer entsorgen musste und nicht wollte, dass Christopher ihr zu Hilfe kam. Dabei hatte sie auch jede Menge Mäusekot entdeckt, so dass sie sich vorgenommen hatte, den Dachboden in Zukunft nicht mehr allzu oft zu besuchen. Doch nun konnte er sie aus ihrer misslichen Situation befreien. Sie hörte ein leises Rascheln im Staub neben ihren Füßen, das Trippeln winziger Mäusefüße. Draußen ertönte weiter das vorsichtige Rufen von Christopher.
    »Teresa? Wo steckst Du? Bitte, Teresa. Ich muss mit dir reden.« Doch irgendwann verstummten die Rufe, und Teresa war allein mit den Mäusen.
    Christopher hatte aufgegeben.

ARSEN UND
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