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Wildhexe - Die Feuerprobe

Titel: Wildhexe - Die Feuerprobe
Autoren: Carl Hanser Verlag
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geputzt?«
    »Ja. Mama, was ist los ?«
    Sie schüttelte den Kopf. »Ich bin nur ein bisschen im Stress. Es ist eine hektische Woche.«
    Das mochte ja sein. Aber zwischen ihr und Tante Isa stimmte etwas nicht.
    »Ich hoffe, du weißt, was du tust«, sagte Isa.
    »Keine Sorge«, sagte Mama scharf. »Ich führe mein Leben und du deins.«
    »Ja«, sagte Tante Isa. »Aber was ist mit Clara?«
    »Danke, dass du ihr geholfen hast«, sagte Mama. »Aber jetzt müssen wir nach Hause.«
    Eine Viertelstunde später saßen wir wieder im Auto, ich in meiner Schlafanzughose und einem grauen Wollpulli, den Isa mir geliehen hatte, und Mama trug noch immer dieselben Sachen, die sie angezogen hatte, als wir mitten in der Nacht losgefahren waren. Wir waren zwei müde Vogelscheuchen, wir beide. Aber Mama hatte es ganz offensichtlich eilig, wieder nach Hause zu kommen. Der Kia holperte den Kiesweg hinunter, so schnell es eben ging, und auf dem Hof hinter uns standen Isa und Tumpe und winkten. Das heißt, Isa winkte. Tumpe wedelte nur.
    Wir bogen in den Wald ab, und dann konnte ich die beiden nicht mehr sehen. Überrascht stellte ich fest, dass mich das traurig machte. Komisch, ich war noch nicht mal zwölf Stunden bei ihnen gewesen, und davon hatte ich den Großteil verschlafen. Aber es war so … so als würde ich sie schon jetzt ein bisschen vermissen.
    »Können wir Tante Isa nicht mal wieder besuchen?«, fragte ich. »Und vielleicht ein bisschen länger bleiben?«
    »Vielleicht«, sagte Mama. Aber sie sagte es auf diese spezielle Mama-Art, die in Wahrheit Nein bedeutete.

5  DIE MÄPPCHENMAUS
     
     
    Was ist denn mit dir passiert?«
    Oscar zeigte so vorwurfsvoll mit dem Zeigefinger auf mich, als wäre es ganz und gar inakzeptabel, dass ich mir erlaubt hatte, etwas zu erleben, ohne ihn vorher zu fragen. Das heißt, genau genommen zeigte er nicht auf mich, sondern auf meine zerkratzte Stirn. Obwohl seitdem fast eine Woche vergangen war, waren die Kratzer noch immer deutlich zu sehen und scheußlich rot, aber heute war der erste Tag, an dem meine Mutter mich für gesund genug befunden hatte, um wieder in die Schule zu gehen.
    »Ich bin von einer Katze angefallen worden«, sagte ich. »Und ich habe keine große Lust, darüber zu reden.«
    Er hätte am liebsten losgelacht, das konnte ich ihm ansehen, aber aus irgendeinem Grund beherrschte er sich.
    »Bist du okay?«, fragte er, plötzlich ganz ernst.
    Sah ich wirklich so schlimm aus? Ich hatte kein Fieber mehr, aber nachts schlief ich immer noch schlecht.
    »Ehrlich gesagt weiß ich das nicht so richtig«, sagte ich. »Mir ging’s hundsmiserabel … aber dann … dann wurde es wieder besser.« Eigentlich wollte ich ihm von Tante Isa erzählen. Ich weiß nicht, warum ich es nicht tat, da war einfach etwas, das mich davon abhielt. Normalerweise erzählen wir uns alles. Oscar ist mein bester Freund. Wir kennen uns, seit wir zwei kleine Windel-Babys gewesen sind, und wir haben sogar irgendwann mal Blutsbrüderschaft geschlossen, nachdem wir in einem Buch davon gelesen hatten – wir waren damals noch ziemlich klein und fanden wohl, dass es wahnsinnig cool klang. Manchmal zogen uns die anderen auf und behaupteten, wir wären ein Liebespaar, aber auch wenn Oscar rot anlief und sich sogar ein paarmal deswegen geprügelt hatte, blieb er weiter mein Freund.
    Er biss sich auf die Lippe. Ich glaube, er wusste nicht so richtig, was er sagen sollte. Seine strubbeligen blonden Haare standen wie immer senkrecht nach oben ab, und irgendetwas an seinen Wangen und seinem Mund ließ ihn immer so aussehen, als würde er jeden Moment loslachen. Aber seine Augen waren ernst.
    »Soll ich deine Tasche nehmen?«, fragte er, was ganz unglaublich lieb von ihm war, besonders, weil es die anderen tod sicher dazu bringen würde, wieder mit ihrem Clara-und-Oscar-sind- VERLIEBT -Quatsch anzufangen.
    »Danke«, sagte ich. »Aber das schaffe ich selbst. So gesehen geht es mir wieder gut. Ich kann nur nicht so gut schlafen.«
     
    Im Dänisch-Unterricht sollten wir Gruppenarbeit machen und aus einem ganzen Kapitel in einem Buch, das wir gerade lasen, die Adjektive heraussuchen. Ich war mit Josefine, die manchmal wirklich nervig sein konnte, in eine Gruppe eingeteilt worden. Sie wollte immer alles bestimmen, und auch jetzt teilte sie blitzschnell jedem einen Teil des Kapitels zu, sodass wir am Ende nicht gemeinsam darüber sprachen, sondern jeder nur für sich seine Seiten anstarrte.
    Niemand wehrte sich so richtig
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