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Wilde Rose der Prärie

Wilde Rose der Prärie

Titel: Wilde Rose der Prärie
Autoren: Linda Lael Miller , Ralph Sander
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durchatmete, bevor er sich zu Holt und Gabe umdrehte. „Richter Fellows", sagte er. „Er ist tot."

37. Kapitel

     
    Lorelei konnte keinen klaren Gedanken fassen und war nicht in der Lage, die Tatsache zu begreifen, dass ihr Vater tot war. Sie wurde von einem Ansturm widersprüchlichster Gefühle überrannt - Wut und Mitleid, Kummer und dabei immer eine gewisse Distanz, als hätte dieses Ereignis keine Bedeutung für ihr eigenes Leben. Ein Gefühl, dass hier zwar etwas zu Ende gegangen war und viele geheime Hoffnungen gestorben waren, was aber auch etwas Befreiendes hatte. Es war ein Ende und zugleich ein Neubeginn.
    Mr. Templeton zeigte sich recht besorgt und schickte einen zufällig vorbeikommenden Jungen zum Totengräber, dann setzte er sich zu Lorelei auf die Stufe, bis der Leichenwagen vorfuhr. Ohne eine Gefühlsregung sah sie mit an, wie ihr Vater hochgehoben und in die schwarze Kutsche gebracht wurde, die ihn wie eine beliebige Fracht wegfuhr.
    „Kommen Sie mit mir mit, Lorelei", sagte Mr. Templeton, als die Räder des Leichenwagens nicht mehr auf dem Kopfsteinpflaster zu hören waren. Er wirkte so nett. Wie sollte er an dem Überfall auf ihre Ranch beteiligt gewesen sein? Aber sie schüttelte den Kopf.
    Sehr widerstrebend ließ er sie dann doch allein zurück. Lange Zeit saß sie weiter auf der Stufe, die Arme um ihre Knie geschlungen, während sie nicht um den Vater trauerte, den sie nie gehabt hatte, sondern um den, von dem sie immer geträumt hatte.
    Schließlich erhob sie sich wie eine Schlafwandlerin und ging ins Haus, das ihr so vertraut und doch so seltsam fremd war. Es war kühl dort, die Mittagssonne warf tiefe Schatten, und das einzige Geräusch war das schwerfällige Ticken der Standuhr in der Diele. Lorelei verschränkte die Arme und drückte sie fest an sich, als wolle sie sich so zusammenreißen.
    Vor der geschlossenen Tür zum Arbeitszimmer ihres Vaters blieb sie kurz stehen, dann folgte sie einem plötzlichen Impuls, öffnete die Tür und trat ein.
    Der Gestank von kaltem Zigarrenrauch, Whiskey und altem Leder schlug ihr wie eine Welle von Geistern entgegen. Zögerlich näherte sie sich dem Schreibtisch, der eine magnetische Anziehungskraft zu haben schien. Hier gab es etwas, was sie finden wollte - was sie finden musste.
    Nur was?
    Sie legte die Fingerspitzen an ihre Schläfen und zwang den Nebel in ihrem Kopf, sich endlich zu lichten.
    Von einem Teil ihres Verstands gesteuert, der keinen Sinn zu ergeben schien, griff sie nach dem Schreibtischschlüssel, der sich in seinem Versteck unter dem Humidor, in dem der Richter seine Zigarren lagerte, befand. Sie lächelte schwach. Stets hatte er geglaubt, niemand außer ihm kenne dieses Versteck, aber Lorelei konnte sich nicht an eine Zeit erinnern, zu der sie nicht davon gewusst hatte.
    Mit zitternden Fingern zog sie die erste Schublade auf. Ihre Knie waren so weich, dass sie sich in den großen Ledersessel sinken lassen musste. Der Sessel - der Thron der Autorität, auf dem sie zuvor nie zu sitzen gewagt hatte. Der Platz, dem sie sich oft mit Angst und verzweifelter Hoffnung genähert hatte.
    Dort lag die Pistole ihres Vaters, das da war die rote Lederschachtel, in der er die Patronen aufbewahrte. Doch was sie viel mehr interessierte, das waren die Papiere.
    Sie holte die Dokumente heraus und faltete sie auseinander, um eines nach dem anderen wie in Trance zu lesen. Auf den ersten Blick ergaben diese Dinge für sie keinen Sinn. Besitzurkunden, Kreditvereinbarungen, Briefe, ein Hauptbuch.
    Nicht!, warnte sie eine Stimme in ihrem Hinterkopf.
    Sie ignorierte sie und schlug die erste Seite des Hauptbuchs auf.
    Eine Auflistung von Darlehen. Hundert Dollar hier, tausend Dollar dort, und in jedem einzelnen Fall war der gleiche Name als Geldgeber vermerkt. Isaac Templeton.
    Ihre Kehle war wie zugeschnürt, während ihr Kopf allmählich klar wurde. Alles – das Haus und alles andere - gehörte Mr. Templeton. Die einzige Ausnahme war ihr Land und der geringe Geldbetrag, den sie für sich beansprucht hatte, kurz bevor sie ihrem Zuhause den Rücken kehrte.
    Ein Geräusch in der offenen Tür ließ sie leicht zusammenfahren, und sie sah auf. Mr. Templeton stand auf der Schwelle zum Arbeitszimmer ihres Vaters und lächelte mitleidig, so wie man ein Kind anlächelte, dass sich bei etwas Verbotenem hatte erwischen lassen.
    „Lorelei", sagte er kopfschüttelnd. „Lorelei."
    Etwas in ihr erwachte, und mit einem Mal begann sie zu verstehen. „Sie. Sie hatten
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