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Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen

Titel: Wielstadt-Trilogie Bd. 1 - Drachenklingen
Autoren: Pierre Pevel
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geerbt und an all seine Nachfahren weitergegeben hatte: Ein Delormel war rothaarig, oder er war schlicht kein Delormel. Der Fechtmeister trug eine schmucklose, aber perfekt gebügelte Jacke und war sorgfältig gekämmt.
    »Übrigens«, sagte La Fargue, »liegst du gar nicht mehr so falsch, wenn du mich Hauptmann nennst.«
    »Was soll das heißen?«
    »Der Kardinal hat mir insgeheim meinen Befehl zurückerteilt. Er möchte, dass die Klingen wieder ihren Dienst antreten. Unter meinem Kommando.«
    »Alle? Ich meine: alle Klingen?«
    Der Kapitän zuckte mit den Schultern. »Zumindest alle, die noch übrig und dazu bereit sind. Und was die betrifft, die nicht bereit sind, bin ich sicher, der Kardinal wird Mittel und Wege finden, sie zu überzeugen. Die Briefe, die sie zu den Waffen rufen, sind bereits unterwegs.«
    Delormel zögerte, da er die Besorgnis in La Fargues Gesicht lesen konnte, dann fragte er: »Ist das denn keine gute Nachricht?«
    »Ich habe mir noch keine Meinung darüber gebildet.«
    »Komm schon, Hauptmann! Die Klingen sind dein Leben! Und es ist nun fast fünf Jahre her, dass …«

    Doch er sprach den Satz nicht zu Ende.
    Besorgt blickte er sich um und flüsterte: »Ich bitte dich, du willst mir doch nicht etwa sagen, du hättest dem Kardinal mit Nein geantwortet! Niemand wagt es, dem Kardinal einen Wunsch abzuschlagen. Niemand. Nicht einmal du, oder?«
    La Fargue antwortete nicht. Sein Blick wanderte zu Martin und seinem Schüler unten im Saal. »Ich dachte, deine Schule sei nur nachmittags geöffnet.«
    »Eine Privatstunde«, erklärte Delormel. »Der Maulheld, den du da siehst, zahlt in Gold.«
    Der Begriff ›Maulheld‹ sagte bereits alles, dennoch hakte La Fargue nach: »Wie macht er sich?«
    Der alte Fechtmeister verzog verächtlich den Mund. »Er hat zwei linke Hände, hält das Schwert wie eine Mauerkelle, glaubt, er wüsste alles besser, obwohl er nichts versteht, und meckert dann, man würde es ihm nur schlecht erklären.«
    »Wie lautet sein Name?«
    »Guérante, glaube ich. Wenn ich an Martins Stelle wäre, hätte ich ihm schon längst geohrfeigt.«
    »Und hättest damit deine Kundschaft verloren.«
    »Sicher, aber …«
    La Fargue ließ Martins Schüler nicht aus den Augen. Es war ein junger Mann, der etwas zu üppig gekleidet war und dessen Haltung ihn als Sohn einer Familie entlarvte, die sich viel auf ihren Namen und ihr Vermögen einbildete. Ihm fehlte nicht nur die Geduld, sondern auch das Talent, er brauste wegen jeder Kleinigkeit auf und fand dann tausend Ausflüchte für seine eigene Ungeschicklichkeit. Er war hier, wo die Fechtkunst ernsthaft und sachlich betrieben wurde, völlig fehl am Platz, denn hier war ehrliche Anstrengung gefragt und nicht überheblicher Ehrgeiz.

    »Ich habe nicht Nein gesagt«, knüpfte der Hauptmann plötzlich an das vorige Thema an. »Ich meine, zum Kardinal. Ich habe nicht Nein gesagt.«
    Delormel konnte sich ein breites Lächeln nicht verkneifen. »Das wurde aber auch höchste Zeit! Du bist doch nur du selbst, wenn du dem König dienen kannst, und egal, was du darüber denken magst, du hast ihm nie so gut gedient wie in den Jahren, da du den Befehl über die Klingen hattest.«
    »Aber zu welchem Preis? Ein Toter und der Verrat durch einen Freund …«
    »Du bist Soldat. Tod und Krieg gehören zusammen. Und was den Verrat betrifft: der gehört zum Leben.«
    La Fargue nickte, ohne dass klar wurde, ob er seinem Freund wirklich zustimmte.
    Um das Thema zu wechseln, fasste Delormel ihn am Arm und zog ihn, aufgrund einer alten Verletzung leicht hinkend, von der Balustrade weg. »Ich frage dich nicht, worin deine Mission besteht, aber …«
    »Das kannst du ruhig tun«, unterbrach ihn La Fargue. »Im Moment geht es nur darum, die Klingen zusammenzutrommeln, so schnell wie möglich und ohne viel Aufmerksamkeit zu erregen. Und vielleicht noch neue Mitglieder zu finden. Aber der Kardinal hat sicher etwas vor, und ich werde es gewiss bald erfahren. Warum beruft er die Klingen wieder ein? Warum sie, wo es ihm doch sicher nicht an eifrigen Agenten mangelt? Warum ich? Und vor allem: warum jetzt, nach all den Jahren? Dahinter muss sich irgendein Geheimnis verbergen.«
    »Es herrschen unruhige Zeiten«, gab Delormel zu bedenken. »Und vielleicht mangelt es dem Kardinal, anders als
du glaubst, doch an fähigen Männern wie dir und deinen Klingen.«
    Plötzlich brach unten überraschend Tumult aus, der die beiden Männer an die Balustrade zurücklockte.
     
    Guérante
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