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Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Wiedersehen in Hannesford Court - Roman

Titel: Wiedersehen in Hannesford Court - Roman
Autoren: dtv
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Gastgeber. Ich hatte Sir Robert immer recht eindrucksvoll gefunden. Wenn er nicht gerade auf der Jagd war, beschäftigte er sich unweigerlich mit seinen Umbauplänen für Hannesford Court. Diesmal jedoch wirkte sein Handschlag kraftlos, beinahe apathisch.
    »Ach, Tom, Tom. Schön, Sie wieder bei uns zu haben. Ich habe gerade mit dem alten Rolleston über die Pläne für dasDenkmal gesprochen. Haben Sie sie schon gesehen? Sie sind sehr gut geworden, finde ich, wirklich gut … Aber wir müssen es bald anpacken. Das Denkmal in Cullingford nimmt schon Gestalt an. Ich hoffe, dass Freddie Masters und Sie mir nach dem Abendessen Ihre Meinung dazu sagen …«
    Nach fünf Jahren war das ein seltsamer Empfang, so als wäre ich gerade von einem Spaziergang im Park hereingekommen. Während wir uns unterhielten, bemerkte ich, dass Sir Roberts Blick, der früher so streng und gebieterisch gewesen war, selten länger als wenige Sekunden am selben Ort verweilte.
    »Er überlässt heutzutage vieles Mama«, erklärte mir Bill Stansbury, als die Gesellschaft zum Abendessen gerufen wurde. »Ganz anders als früher. Als wir erfuhren, dass Harry gestorben war, ist er einfach zusammengebrochen . Es geht ihm schon viel besser. Aber es wäre wunderbar, wenn du ihm mit seinen Plänen helfen könntest. Und falls ich dich wegen des Gedenkgottesdienstes für Harry warnen darf – Vater hofft wohl, dass du einige Worte sprichst …«
    Er sagte es so beiläufig, dass ich einen Augenblick brauchte, um den Sinn seiner Worte zu erfassen. Lady Stansbury hatte in ihrem Brief zwar erwähnt, dass man an Silvester einen Gedenkgottesdienst für ihren Sohn plante, jedoch verschwiegen, dass man eine Rede von mir erwartete. Der Gedanke war beunruhigend. Zum Glück hatte Bill mir noch etwas ähnlich Überraschendes mitzuteilen, bevor ich mich dazu äußern konnte.
    »Du sitzt beim Essen leider zwischen Lucy Flinders und der jungen Eccleston«, sagte er. »Weil Mama dich für zuverlässig hält. Ich habe Laura Finch-Taylor und die Tochter des Arztes, die gar nicht so übel ist. Margot wird wohl neben Neil, dem Amerikaner, sitzen. Mama ist sehr scharf darauf, sie mit ihm zu verheiraten.«
    Ich erinnere mich ziemlich genau daran, wie ich die ersten amerikanischen Truppen sah, irgendwo hinter der Front in den dunkelsten Tagen des Jahres 1918. Es war ein furchtbarer Monat gewesen. Unsere Linien hatten sich aufgelöst, wir kamen auf dem Rückzug an Orientierungspunkten vorbei, die wir vor Jahren zuletzt gesehen hatten. Boden, den wir unter schrecklichen Opfern Zoll für Zoll gutgemacht hatten, ging an einem einzigen Nachmittag verloren. Ich war gerade auf einem Verbandsplatz, als ich sie kommen sah. Man konnte sie schon von weitem erkennen. Es lag etwas in ihrem Schritt, eine Geradheit und Zielstrebigkeit, die ich seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Die Krankenschwestern jubelten, bis sie außer Sichtweite waren, und sie hinterließen einen schwachen, aber unzweifelbaren Hauch von Hoffnung. Ich jedoch hatte nicht gejubelt. Etwas an ihrer frischen Art machte mich traurig. Sie erinnerten mich an eine jüngere, längst verschollene Version meiner selbst.
    Professor Schmidt hatte immer gesagt, die Zukunft der Welt liege weder in deutschen Händen noch in denen des Britischen Empires, sondern jenseits des Atlantiks. Amerika, hatte er gesagt, sei ein Reich, das nicht von seinem Weg abgelenkt werde, da es keine Geschichte habe. Mit dieser Ansicht hatte er einige Gäste in Hannesford sehr erzürnt. Im Sommer 1914 stand es einem Ausländer nicht an, die Zukunft des Empires anzuzweifeln.
    War es Harry Stansbury gewesen, der dem Professor gegenüber die Beherrschung verloren hatte? Falls ja, wäre das ungewöhnlich gewesen, denn Harry ließ sich nicht so leicht aus der Fassung bringen.
    Meine Erinnerung an den Zwischenfall war verschwommen, aber ich war mir sicher, dass er sich in der Woche vor dem Rosenball zugetragen hatte, denn die Gärtner waren damit beschäftigt gewesen, die Sonnenzelte aufzubauen. Es war ein heißer goldener Nachmittag, dessen Schatten geradeerst länger wurden. Ich hatte am See nach Margot gesucht und ging durch den alten Kräutergarten zurück zum Haus. Kurz vor der Terrasse, noch außer Sichtweite, hörte ich Stimmen: eine laute und eine leise, die in sehr ernstem Ton sprach. Einer der Stansbury-Söhne, der mit jemandem Streit hatte, dachte ich. Um nicht zu stören, blieb ich stehen, bis wütende Schritte ins Haus stapften. Als ich um die Ecke bog,
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