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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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dunklen Fenster auf der anderen Seite des Hofes.
    »Das Zimmer ist da drinnen«, sagt der Hausmeister, zieht den Bauch ein und quetscht sich an dem schmalen Tisch vorbei. Er öffnet die Tür zum einzigen anderen Raum der Wohnung, dem Zimmer, das mein Vater mir versprochen hat. Mein eigenes. Es ist klein und hat nur ein Fenster, das so hoch liegt, dass man nicht hinausschauen kann. Bestimmt war es einmal die Besenkammer, als die Wohnung noch zum Rest der Etage gehörte. Ein vergessener Ort mit Stapeln von vergilbtem Papier und Regalen voll eingemachter Äpfel und Pflaumen. Nun steht dort ein Bett, in dem ich heute Nacht schlafen soll. Es riecht trocken und staubig.
    Der Hausmeister klingt plötzlich nicht mehr so sicher, er sagt: »Ehrlich gesagt habe ich die Wohnung ein bisschen größer in Erinnerung. Es ist noch eine andere frei, wenn ihr wollt …«
    »Die hier ist prima«, sagt mein Vater. »Wir werden uns wohlfühlen.«
    Wir folgen dem Hausmeister zurück in die Werkstatt. Der Boden ist mit Ölflecken bedeckt, auf dem Arbeitstisch am Fenster liegt Werkzeug verstreut. An einer Wand hängen Schlüssel. Massenweise Schlüssel, mindestens einer für jede Wohnung. Nachts, wenn alle schlafen, schleicht er sich in die Wohnungen, geht an die Kühlschränke und probiert von allen Essensresten. Ein wenig Hühnchen hier, ein Stück Hackbraten da. Deshalb ist er so fett.
    »Und ihr zahlt bar?«, fragt er. Mein Vater nickt.
    Sie schütteln sich die Hände. Das macht mich jedes Mal stolz, denn ich weiß, dass mein Vater einen festen Händedruck hat, das sagen die Leute immer.
    Mein Vater und ich schleppen die Sachen aus dem Auto hinauf. Mein Vater nimmt die schweren Dinge: alte Koffer, die fast platzen, gefüllt mit seinen Büchern. Ich trage die Plastiktüten mit den Bettbezügen und Handtüchern. Als Letztes nimmt mein Vater die Holzkiste mit den Schallplatten, trägt sie vorsichtig und stellt sie auf den Küchentisch. Den Plattenspieler kann ich nirgendwo entdecken. Ich frage nicht danach.
    Zum Abendessen gibt es Speck und Eier. Gekauft auf dem Hof, bei dem wir das Auto geliehen haben. »Das wird gut«, sagt mein Vater, als der Speck in der Pfanne zischt. Sein Blick sagt mir, dass er nicht nur das Essen meint. »Ja, das wird gut.«
    Die Tür zu meinem neuen Zimmer lässt sich nicht ganz schließen. Immer, wenn wir es versuchen, knirscht sie und springt wieder auf. Das Haus muss sich bewegt haben, seit es gebaut wurde, es hat sich gestreckt und gewunden, hat gegähnt und gehustet. Durch den Türspalt kann ich meinen Vater sehen, seine Füße ragen über die Pritsche hinaus, ein Zeh ist blau, weil er ihn letzte Woche gestoßen hat.
    Ich höre seinen schweren Atem. Ich schlafe immer zu Geräuschen ein. Oft ist es Verkehrslärm. Das Auto auf dem Feldweg vor dem Fenster. Die Autos auf der Autobahn. Der Wind in den Baumkronen, in einer Wohnung hoch über der Erde. Wenn er laut heulte, schloss ich die Augen und sah, wie die Bäume sich bogen.
    Als wir dicht am Meer wohnten, schlief ich zum Rauschen der Wellen ein. Länger und länger spülten sie über den Strand, über das dicke, gelbe Gras und durch die Büsche, bis sie mein Zimmer erreichten und mich mitnahmen.
    Ich in meinem neuen Bett, und die fremden Geräusche der Stadt.

J etzt sitzt mein Vater allein im Auto.
    Gerade noch habe ich seine Schritte auf der Treppe gehört. Die harten Absätze seiner Schuhe klackerten auf den alten Stufen. Dann fiel die Eingangstür zu, und er ging über den Hof, vorbei an den Mülltonnenverschlägen und dem Fahrrad mit dem platten Vorderreifen.
    Jetzt dreht er den Zündschlüssel um. Das Auto will nicht starten. Als wir es gestern holten, wollte es auch nicht, selbst beim dritten Versuch.
    Ich sitze in der Küche. Mein Vater hat das Bettzeug in die Schublade unter der Pritsche geräumt und Kissen obendrauf gelegt. Unser Sofa, sagte er und lächelte.
    Heute werde ich allein sein.
    Ist das okay?, fragte er und zeigte auf das Essen auf dem Tisch. Das übrig gebliebene Frühstücksbrot, ein kleines Päckchen Butter, drei angeschlagene Äpfel mit braunen Flecken auf der Schale. Ich nickte, hatte mir selbst versprochen, nicht zu weinen. Ich bin sieben Jahre alt, da weint man nicht mehr.
    Ich wäre gern mit ihm gefahren, obwohl mir gestern vom Benzingestank und dem Geschaukel schlecht wurde. Wir mussten ein paar Mal anhalten, weil ich kotzen musste. Trotzdem hätte ich gern noch einen Tag mit meinem Vater verbracht, neben ihm gesessen und seinen
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