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Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Wie keiner sonst / ebook (German Edition)

Titel: Wie keiner sonst / ebook (German Edition)
Autoren: Jonas T. Bengtsson
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Behandlungszimmer. Wir bleiben in der Tür stehen und schauen dem Zahnarzt zu, der Instrumente auf einen Metalltisch legt. Er ist ungefähr so alt wie mein Vater, vielleicht etwas jünger. Er hat dunkles Haar und eine hohe Stirn. Eine Zigarette raucht sich selbst im Aschenbecher auf der Fensterbank. Endlich hat er uns bemerkt.
    »Sie müssen einen Termin mit meiner Sekretärin vereinbaren. Wir schließen jetzt.«
    Mein Vater tritt über die Schwelle und sagt: »Ich möchte, dass Sie nach meinem Jungen sehen.«
    Seine Stimme klingt beschwörend.
    Der Zahnarzt schaut auf, er ist wohl überrascht, dass wir immer noch dastehen. Er nimmt einen Zug von der Zigarette und drückt sie aus.
    »Ich kann nichts für Sie tun, wenn Sie keinen Termin haben.«
    »Mein Junge hat Schmerzen.«
    »Tut mir leid …«
    Wir kommen näher, mein Vater voran, ich dicht hinter ihm.
    »Sie sehen doch, dass er Schmerzen hat.«
    »Tut mir leid, aber …«
    »Ich habe keine Krankenversicherung, und ich kann Sie nicht bezahlen. Aber ich bin sicher, dass Sie uns helfen wollen.«
    Er ändert den Ton, fordert freundlich. Der Zahnarzt will etwas sagen, aber mein Vater kommt ihm zuvor. »Sie haben sicher nicht so viele Jahre studiert, nur um Akten zu stempeln und in einem schönen Haus zu wohnen …?«
    Der Zahnarzt sieht verwirrt aus, er öffnet den Mund, sagt aber nichts. Mein Vater hebt die Hand, berührt fast den weißen Ärmel des Arztes.
    »Sie wollen uns gern helfen.«
    Mein Vater könnte jetzt alles sagen, und ich würde ihm glauben.
    »Wir brauchen Ihre Hilfe. Ich weiß, dass Sie uns helfen wollen.«
    Der Zahnarzt steht regungslos da, lässt die Arme sinken.
    »Warum gehen Sie nicht zum Schulzahnarzt? Das ist kostenlos«, sagt er.
    »Nein«, sagt mein Vater. »Das können wir nicht.«
    Der Mann im Kittel nickt und legt ein paar Metallinstrumente auf das Tablett neben dem Zahnarztstuhl, dann geht er zur Tür und ruft:
    »Karina, ich nehme noch rasch einen Patienten.«
    Ich sitze im Zahnarztstuhl, bekomme ein Stück weißes Papier um den Hals gehängt.
    Die Arzthelferin kommt, sie ist blond, trägt einen dunkelbraunen Mantel über dem Arm und hat müde Augen.
    »Im Kalender stehen aber keine weiteren Termine …«
    »Nur noch einen letzten Patienten, Sie können ruhig gehen, ich schaff das allein.«
    Sie zuckt mit den Schultern und verschwindet. Die Tür knallt hinter ihr zu.
    Der Zahnarzt hat einen kleinen Spiegel an einem Metallstiel, den er mir in den Mund steckt. Der Stahl ist kalt. Er nickt wortlos, holt eine Spritze. Mein Vater hält meine Hand, als der Arzt mir ins Zahnfleisch sticht.
    »Das Schlimmste ist schon vorbei«, sagt er und bittet meinen Vater, sich die Hände zu waschen. Er fummelt in meinem Mund herum und zeigt auf die verschiedenen Instrumente, die mein Vater ihm reichen soll. Ich rieche die Zigarette an den Händen des Zahnarztes. Dann höre ich den Bohrer, es summt, als hätte ich eine Biene im Mund, aber es tut nicht mehr so weh wie vorhin.
    Als der Zahnarzt fertig ist, ist eine Seite meines Mundes ganz taub, ich wische Spucke mit dem Ärmel ab. Wir ziehen unsere Jacken an, da geht mein Vater noch einmal zurück und umarmt den Zahnarzt.

M ein Vater sitzt am Küchentisch, vor ihm liegen alle Zeitungen, die er bekommen konnte. Sie brauchen nicht neu zu sein, solange es die richtigen sind. Die ohne bunte Bilder und nackte Frauen.
    Er sitzt dort viele Stunden, die Zeitung vor sich aufgeschlagen. Ich kann ihn nicht sehen, höre nur, wie er die Seiten umblättert.
    Wenn er rauchen möchte, lässt er die Zeitung nicht sinken, ich sehe nur, wie seine Hand hervorkommt. Er findet die Schachtel immer beim ersten Versuch. Dann steigt der Qualm hinter den Seiten auf, und kurz danach kommt die Hand wieder hervor, er schnipst die Zigarette zweimal, und die Asche fällt in den Aschenbecher. Sie verfehlt ihn nie.
    Ich schleiche mich in die Küche, ganz leise. Es ist Sonntag, und er sitzt hinter einer deutschen Zeitung. Ich darf nicht auf die knirschenden Dielen treten.
    Vorsichtig schiebe ich den Aschenbecher ein Stück nach rechts, fast lautlos.
    Mein Vater liest weiter, raucht und blättert. Die Hand kommt hervor, zieht eine neue Zigarette aus der Schachtel, er ascht, liest, nimmt sich noch eine Zigarette.
    Schließlich faltet er die Zeitung zusammen, greift nach der nächsten auf dem Stapel und schaut auf den Tisch. Verwundert öffnet er den Mund. Vor ihm liegt ein kleiner Berg aus Asche und Kippen.
    Er sieht mich an, ich dachte, er
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