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Wie ein Blütenblatt im Sturm

Wie ein Blütenblatt im Sturm

Titel: Wie ein Blütenblatt im Sturm
Autoren: Mary Jo Putney
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Mitternacht schlug, setzte er sich mit einem Brandy nieder und ging die Post des Tages durch, um zu sehen, ob etwas Dringendes anlag. Fast ganz unten im Stapel befand sich eine Nachricht von Lady Jocelyn Kendal. Oder vielmehr Lady Presteyne; da sie nun verheiratet war, mußte er aufhören, ihren Mädchennamen zu benutzen. In dem Brief dankte sie Rafe dafür, sie in die Arme ihres Mannes zurückzuschicken, erging sich in Beschreibun-gen über die Freuden der Ehe und drängte ihn, selbst über diese Sache nachzudenken.
    Er lächelte ein wenig und freute sich, daß es für sie funktioniert hatte. Bei aller Schönheit, ihrem Rang und ihrem Reichtum war Jocelyn ein sehr nettes Mädchen.
    Und wenn sie und Lord Presteyne ein Faible für Romantik hatten, dann konnten sie ewig glücklich sein, obwohl Rafe so seine Zweifel hatte. Er hob sein Glas zu einem einsamen Toast auf sie und ihren glücklichen Ehemann, kippte dann den Brandy hinunter und schleuderte das Glas in den Kamin.
    Der Toast kam von Herzen, doch sein Lächeln wurde bitter, als er die splittrigen Ergebnisse seines uncharakte-ristischen Ausbruchs musterte. Ein Mann, der für seine Gewandtheit bekannt war, sollte sich nicht so gehenlassen. Doch das Gefühl des Verlustes nagte an ihm.
    Er schenkte sich noch ein Glas ein, setzte sich dann wieder in seinen Armsessel und musterte seine Bibliothek mit einem feindseligen Blick. Es war ein wunderschön geschnittener, geschmackvoll gestalteter Raum, der den Reichtum seines Besitzers widerspiegelte. In keiner seiner großen Besitzungen besaß Rafe einen Raum, in dem er sich so wohl fühlte wie hier. Wieso zum Teufel war er dann nur so deprimiert?
    Müde gestand er sich ein, daß er seiner tristen Laune nur beikommen konnte, wenn er sich ihr ergab. Jocelyn war nicht das Thema; wenn er das Mädchen so dringend hätte haben wollen, dann hätte er sie heiraten können.
    Was Rafe so verstörte, war die Tatsache, daß er sie deswegen begehrt hatte, weil sie ihn so an Margot erinnert hatte - wunderschöne, verräterische Margot, nunmehr seit zwölf Jahren tot. Äußerlich war die Ähnlichkeit gering, doch beide Frauen besaßen den hellwachen, spritzi-gen Geist, der so unwiderstehlich war. Immer wenn er mit Jocelyn zusammengewesen war, hatte er an Margot denken müssen. Sie hatte in ihm etwas berührt, wie es keine andere Frau je geschafft hatte. Und da er nicht mehr jung war, würde es auch keine andere mehr schaffen.
    Während er an seinem Brandy nippte, versuchte er, objektiv über Margot Ashton nachzudenken, aber es war ihm unmöglich, seine erste Liebe im Licht der Vernunft zu betrachten. Die erste Liebe und übrigens auch die letzte; die Erfahrung hatte ihn für immer von romantischen Illusio-nen befreit. Und doch war damals jene Illusion so real erschienen.
    Margot war nicht die schönste Frau gewesen, der er je begegnet war, bestimmt nicht die reichste oder vornehm-ste. Aber sie hatte Wärme und Charme im Überfluß besessen und nur so vor unvergleichlicher Lebendigkeit gesprüht.
    Bittersüße Bilder stürzten auf ihn ein. Das erste Mal, als er sie gesehen hatte; der erste zögernde, wunderbare Kuß; lange Stunden über ein Schachbrett gebeugt, auf dem die einzelnen Spielzüge ein tieferes, leidenschaftli-cheres Spiel maskiert hatten; das ernsthafte Gespräch mit dem leicht amüsierten Colonel Ashton, als er um ihre Hand angehalten hatte.
    Am lebhaftesten drang nun die Szene auf ihn ein, als sie sich morgens in aller Frühe zu einem Ritt im Hyde Park getroffen hatten. Ein leichter Nieselregen fiel, als er durch die stillen Straßen von Mayfair trabte, doch der Himmel klarte auf, als er in den Hyde Park ritt. Am Himmel erschien plötzlich ein intensiv-bunter Regenbogen. Während er ihn bewunderte, tauchte Margot auf einer silbergrauen Stute aus dem Dunst am Fuß des Regenbogens auf. Sie wirkte wie eine Märchenkönigin aus einer Legen-de.
    Sie hatte gelacht und ihm die Hand entgegengestreckt
    - als wäre der Goldschatz am Ende des Regenbogens Mensch geworden. Natürlich hatte er gewußt, daß dieser Zauber aus der Kombination von Licht und Wetter entstanden war, aber es kam ihm damals so verdammt real vor.
    Zwei Wochen später war die Affäre beendet, und seine Illusion ebenso.
    Seine tiefste Reue entsprang dem Wissen, daß es seine eigene Eifersucht und sein Zorn gewesen waren, die ihre Verlobung zunichte gemacht hatten. Wenn er mit einundzwanzig bereits die kühle Gefaßtheit besessen hätte, die er später entwickelt
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