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Wie die Menschheit zur Sprache fand

Titel: Wie die Menschheit zur Sprache fand
Autoren: Dean Falk
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jünger als Lucy). Bei dem wohl am heftigsten diskutierten Homininenfund in den vergangenen Jahrzehnten hat man im Jahr 2004 in Indonesien ein ungefähr einen Meter großes adultes weibliches Skelett mit einem Beckengürtel und Gliedmaßenproportionen wie bei den Australopithecinen gefunden. 13 Viele Forscher sind der Ansicht, dass dieses Wesen, dem man den Spitznamen Hobbit gegeben hat, eine völlig neue Menschenart darstellt (Homo floresiensis), die bis vor 17 000 Jahren auf der indonesischen Insel Flores gelebt hat.
Diese Entdeckung war ein Schock, wenn man bedenkt, dass es seit Langem als ausgemacht galt, dass der einzige Hominine, der damals noch gelebt hat, Homo sapiens gewesen ist.
    Niemand kann sich der genauen verwandtschaftlichen Beziehung zwischen diesen Fossilien sicher sein - so es denn eine gibt -, aber alle Funde zeigen, dass es eine sehr lange Zeit hindurch noch ziemlich ursprüngliche und klein gebaute Homininen gegeben hat. Dass Australopithecinen über affenähnliche kleine Gehirne und Beckengürtel verfügten, die noch alles andere als modern waren, spricht dafür, dass Gebären zu ihrer Zeit noch nicht zu einem traumatischen Akt geworden war. Bei diesen unseren Vorfahren gab es noch keinen Grund, weshalb die natürliche Selektion die Geburt unreifer, hilfloser Babys hätte begünstigen sollen. Australopithecus-Feten hatten jede Menge Zeit, im Mutterleib heranzuwachsen und wurden wie Klein- und Menschenaffen so reif geboren, dass sie sich wenigstens mit den Händen an der Mutter festklammern konnten. 14 Wir werden allerdings im nächsten Abschnitt sehen, dass ihre Füße sich womöglich bereits so weit in Richtung aufrechter Gang verändert hatten, dass ihnen ein Teil der Kraft zum Zupacken verloren gegangen war.
    Ein anderes vielsagendes Fossil aus Ostafrika - KNM-WT 15 000 - ist 1,6 Millionen Jahre alt. Das von Alan Walker und Kamoya Kimeu am Nariokotome-Fluss in der Nähe des Turkana-Sees in Kenia entdeckte Individuum ist das früheste relativ vollständig erhaltene Skelett eines Homo erectus (und bekommt auch den Preis für das fossile menschliche Skelett mit den meisten Spitznamen: »15K«, »Nariokotome«, »Turkana-Boy« und »Strapping Youth«, Letzteres heißt auf Deutsch so viel wie »strammer Junge«). Als der Fund im Jahr 1985 verkündet wurde, staunten die Paläoanthropologen nicht schlecht über dieses inzwischen berühmt gewordene Skelett, weil sich sein Bau so dramatisch von dem seiner Australopithecinen-Nachbarn unterschied. Bei WT 15 000 handelt es sich um die fossilen Überreste eines acht bis elf Jahre alten Jungen, dessen Arme und Beine dieselben Proportionen haben, wie wir sie beim
modernen Menschen finden. Dieser Junge war bereits 1,65 Meter groß und hätte als Erwachsener vermutlich mindestens 1,80 Meter gemessen - kein Vergleich also zur kleinen langarmigen Lucy oder zu 15Ks Fastzeitgenossen OH 62. 15
    Obwohl der »stramme Junge« hochgewachsen war und in seinen Proportionen dem modernen Menschen entsprach, war sein Becken sehr viel schmaler - und zwar so schmal, dass manche Leute spekulieren, Becken und Geburtskanal des weiblichen Homo erectus könnten ebenfalls sehr eng gewesen sein, sodass dessen Nachkommen vermutlich sehr viel kleiner auf die Welt kamen als unsere, 16 wobei diese Ansicht umstritten ist. 17 Anthropologen messen, um die Gehirngröße zu bestimmen, herkömmlicherweise das Schädelvolumen. Bei WT 15 000 lag dieses unter 900 Kubikzentimetern und hätte im Erwachsenenalter nicht wesentlich mehr betragen. 18 Dieser Wert entspricht ungefähr dem Doppelten des Durchschnittsvolumens bei ausgewachsenen Australopithecinen (450 Kubikzentimeter) und Zweidritteln dessen, was wir beim modernen Menschen messen (1350 Kubikzentimeter).
    Kinder zu gebären wird aufgrund der Veränderung des Beckenbaus und der zunehmenden Hirngröße im Vergleich zu ihren Australopithecinen-Vorfahren für die Homo-erectus -Frauen vermutlich ein bisschen schwieriger geworden sein. Falls das stimmt, müssen die Neugeborenen von Homo erectus im ersten Lebensjahr noch ein beträchtliches Maß an Hirnentwicklung zu leisten gehabt haben, möglicherweise aber noch nicht so viel wie unsere heutigen Babys. Obschon die teilweise Verlagerung der Hirnentwicklung auf die Zeit nach der Geburt dazu beigetragen haben mag, die veränderte Beckenstruktur teilweise zu kompensieren,
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